„In unserem Unternehmen zählt ausschließlich die Leistung, nicht das Geschlecht!“ – diese Aussage findet häufig Anwendung, wenn von Diversität und Geschlechtergleichheit in Führungspositionen die Rede ist. Der Satz spricht für sich und lässt dennoch an seiner Glaubwürdigkeit zweifeln. Greift er tatsächlich den prägenden Grundsatz deutscher Unternehmen auf oder ist er nichts als heiße Luft? Beim Blick auf die Statistik der letzten Jahre sind starke Zweifel an der Aussage berechtigt. Nur jedes sechste mittelständische Unternehmen wird von einer Frau geführt. Nur etwa 25 % aller Frauen befinden sich auf der obersten Führungsebene, die den Vorstand oder die Geschäftsführung abbilden. In den Vorständen der DAX30-Unternehmen trifft man lediglich noch vier Frauen an. Und das, obwohl Frauen die Mehrheit der Hochschulabsolventen bilden.

I. Problemstellung

Junge Frauen sind motiviert, leistungsstark, qualifiziert und v. a. karriereorientiert. Bei gleicher Qualifikation und identischen Noten bringen Frauen dieselben Voraussetzungen für eine erfolgsversprechende berufliche Karriere mit wie Männer. Frauen haben im Durchschnitt sogar gleiche oder höhere Bildungsabschlüsse.

Der Berufseinstieg scheint für Frauen nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zunächst noch unproblematisch. Themen wie Familienplanung sind kurz nach der Ausbildung selten von Relevanz. Jetzt kommt es darauf an, das gelernte Wissen aus dem Studium in der Praxis anzuwenden und wichtige Berufserfahrungen zu sammeln.

Naturgemäß rückt aber auch gleichzeitig der Wunsch nach einer eigenen Familie näher. Spätestens jetzt stoßen viele Frauen gegen die so genannte „gläserne Decke“, die ihnen den Aufstieg in die obere Führungsebene verwehrt. Die Metapher „gläserne Decke“ steht repräsentativ für alle Hindernisse, die Frauen zu den oberen Führungspositionen in den Weg gelegt werden. Oft müssen Frauen jetzt eine Entscheidung treffen: Karriere oder Familie?

Für Unternehmen bieten qualifizierte Frauen jedoch großes Potenzial. Sie stellen die Mehrheit des Fach- und Führungskräftenachwuchses dar und zeichnen sich durch ein ausgeprägtes Engagement sowie eine hohe fachliche Expertise aus. Diese Tatsache erhöht den Druck auf Unternehmen, Frauen angemessene Karrierechancen zu bieten. Darüber hinaus ist eine ausgeglichene Besetzung von Männern und Frauen stets von Vorteil, da Frauen und Männer geschlechterspezifische individuelle Fähigkeiten mitbringen. Diese ergänzen sich im Idealfall und ermöglichen Unternehmen einen maximalen Erfolg. Eine ausgewogene Besetzung der Geschlechter steigert nicht nur die Attraktivität, sondern gleichzeitig das Image des Arbeitgebers.

Warum sind Frauen nach wie vor seltener in Führungspositionen vertreten? Auf diese Frage sollen auf Grund der bisherigen Ausführungen mögliche Antworten gefunden werden. Anhand einer praxisnahen Darstellung werden anschließend Handlungsempfehlungen gegeben: Sowohl in Bezug auf Vorgehensweisen als auch auf die Entwicklung von Strategiekonzepten, die eine Möglichkeit bieten, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen.

II. Identische Qualifikation – ungleiche Chancen?

Der erste Emanzipationsversuch datiert vom 12./13. Jahrhundert, der zweite von der Französischen Revolution im Jahr 1789. Fraglich ist, wie viele Jahre noch vergehen müssen, bis Frauen der uneingeschränkte Weg in die Spitzenpositionen gewährt wird.

Unternehmen argumentieren bei der Auswahl ihrer Mitarbeitenden, dass Frauen auf Grund geschlechtsspezifischer Eigenschaften einerseits weniger an Führungspositionen interessiert und andererseits weniger geeignet für sie seien. Zudem lasse sich eine niedrigere Durchschnittsproduktivität als bei Männern feststellen. Familiäre Verpflichtungen beeinträchtigen angeblich ihre Flexibilität. Kurzum: Argumente wie diese klingen mehr nach Rückschritt statt nach Fortschritt bzw. Emanzipation.

Ausbildungsbezogen haben Frauen heute keine Nachteile mehr – zumindest in Deutschland. Ganz im Gegenteil: Sowohl bei den Hochschulabsolventen als auch bei den Absolventen der Allgemeinen Hochschulreife fällt die Zahl der Frauen deutlich größer aus als die der Männer.

Was hindert Frauen jedoch im Detail am beruflichen Aufstieg?

1. Falsche Vorstellungen einer erfolgreichen Führungskraft

Über Jahrzehnte hinweg wurden der Arbeitsmarkt sowie alle Führungspositionen durch Männer besetzt. Dadurch hat sich die Vorstellung etabliert, dass eine erfolgreiche Karriere nur durch einen ununterbrochenen, stetigen beruflichen Werdegang gelingen kann. Zudem werden Führungskräfte noch immer mit männlichen Eigenschaften wie „Durchsetzungsstärke und Selbstsicherheit“ in Verbindung gebracht. Frauen hingegen verfügen offensichtlich kaum über diese Eigenschaften und sind somit für Führungspositionen nicht geeignet. Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass es auf die persönlich-individuellen, geschlechtsunabhängigen Eigenschaften ankommt.

2. Veraltetes Denken: Frauen erziehen Kinder, Männer verdienen Geld

Dieses traditionelle Rollenverständnis ändert sich nur langsam. Die Einsicht zur Notwendigkeit einer veränderten Einstellung ist mittlerweile vorhanden, aber die Umsetzung lässt noch auf sich warten. Treiben berufstätige Mütter ihre beruflichen Pläne voran, ernten sie dafür häufig negative Kritik aus ihrem sozialen Umfeld. Zudem erhalten sie bei der Kindererziehung wenig bis keine Unterstützung, was letztendlich zu einer Doppelbelastung führt. Auch das mangelnde Angebot an Teilzeitmodellen sowie regional unterschiedlich flexible Öffnungszeiten der Kitas und der Ganztagsbetreuung an den Schulen untermauern nicht die Chancengleichheit der Frau in Bezug auf ihre beruflichen Wünsche und Möglichkeiten.

3. Erschwerte Wege nach oben – die gläserne Decke

Der Begriff „gläserne Decke“ nach Morrison (1987) beschreibt bekanntlich alle unsichtbaren Prozesse und Faktoren, die Frauen den Weg in die Führungsposition erschweren. Häufig geschieht es, dass Männer durch ihre ebenfalls männlichen Vorgesetzten gefördert werden, während Frauen oftmals außen vor bleiben. Zudem findet der berufliche Aufstieg meist zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr statt. Für Frauen ist genau dieser Zeitpunkt auf Grund einer möglichen Familienplanung äußerst schwierig und demzufolge problematisch, was bereits thematisiert wurde.

Die genannten Faktoren treten häufig in großen Unternehmen in Erscheinung. In kleineren oder mittelständischen Unternehmen haben Frauen bessere Chancen auf eine Führungsposition. Sie sind familienfreundlicher und der Wiedereinstieg von Frauen ist weniger mit Vorurteilen behaftet.

III. Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Die Vorteile für Unternehmen durch Frauen in Führungspositionen sind enorm. Personalengpässe können durch qualifizierte weibliche Führungskräfte geschlossen werden, eine moderne Unternehmenskultur wirkt sich positiv auf die Rekrutierung neuer Fachkräfte am Arbeitsmarkt aus und eine größere Vielfalt in Führungspositionen führt zu erfolgreichen Lösungsansätzen. Dies sind nur einige von vielen Wettbewerbsvorteilen, die Unternehmen durch die Besetzung von Frauen in Führungspositionen generieren. Machen sich Unternehmen diese bewusst, können unentdeckte Wettbewerbsvorteile genutzt und ein modernes sowie zukunftsfähiges Unternehmen entwickelt werden. Vier Handlungsempfehlungen erweisen sich als vielversprechend für die Förderung der Aufstiegschancen von Frauen.

1. Eine genderorientierte Führungskultur

Um Frauen bessere Aufstiegschancen in Ihrem Unternehmen zu ermöglichen, sollten Sie eine genderorientierte Führungskultur einführen. Entwickeln Sie Gleichberechtigungskonzepte und präsentieren Sie Führungskräfte in Teilzeit als positive Beispiele für Ihre moderne Führungskultur. Überprüfen Sie, welche Führungspositionen in Ihrem Unternehmen auch in Teilzeit optimal ausgeführt werden können. Sensibilisieren Sie außerdem alle Führungskräfte in Ihrem Unternehmen durch Schulungen oder Seminare für das Thema „Gleichberechtigung“. Sprechen Sie Ihre Führungskräfte darüber hinaus konkret darauf an, insbesondere auch Frauen während ihrer Entwicklungsphase zur Führungskraft zu fördern.

Insgesamt ist darauf zu achten, v. a. die oberste Führungsebene für Gleichstellungskonzepte zu gewinnen. Weisen Sie dabei auf die vielen Vorteile für das Unternehmen hin, wie z. B. das ansteigende Image, und setzen Sie sich für eine gerechte Entlohnung zwischen Männern und Frauen ein.

Bei der Umsetzung dieser Empfehlungen ist eine Unterstützung durch einen Spezialisten ratsam. Wenden Sie sich beispielsweise an externe Beratungsfirmen, die mit Ihnen gemeinsam ein Strategiekonzept erarbeiten. Nutzen Sie darüber hinaus Bildungsträger für verschiede Fortbildungsangebote, um Führungskräfte für das Thema Gleichberechtigung zu sensibilisieren.

2. Bedürfnisorientierte Karriereförderung für Frauen

Es befinden sich v. a. dann mehr Frauen in Führungspositionen, wenn Unternehmen ihre Karrieremöglichkeiten vielfältiger gestalten. Deshalb sollten Sie in Ihrem Unternehmen unterschiedliche Karrierepfade etablieren, wie z. B. das Einführen von Fach- oder Projektlaufbahnen, um eine stärkere Mitarbeiterbindung, insbesondere der weiblichen Fachkräfte, zu generieren. Indem Sie innovative Karrierewege ermöglichen und neben einer klassischen Führungslaufbahn auch eine Fachlaufbahn schaffen, verbessern Sie nicht nur die Karrierechancen von Frauen, sondern erhöhen auch Ihre Rekrutierungschancen am Arbeitsmarkt, da Sie auf die Bedürfnisse einer Vielzahl qualifizierter Fachkräfte reagieren. Ein Beispiel für einen innovativen Karriereweg, insbesondere für Frauen, ist das Arrangieren einer zweiten Karrierelaufbahn. Viele Frauen möchten nach Abschluss ihrer Familienplanung ihre Karriere wieder stärker verfolgen. Darauf sollten Sie reagieren und qualifizierte weibliche Fachkräfte für sich gewinnen.

Wichtig in diesem Kontext ist es, frühzeitig das Gespräch mit karriereorientierten Frauen und Männer zu suchen, um ihre Absichten im Hinblick auf die Karriereplanung sowie ihre Motivation für Führungspositionen zu erkennen. Anschließend können Sie mit individuellen Fortbildungsangeboten auf ihre Bedürfnisse reagieren und qualifizierte Frauen durch Fachlaufbahnen für spätere Führungspositionen innerhalb Ihres Unternehmens gewinnen.

3. Chancengleichheit bei der Rekrutierung von Fach- und Führungskräften

Eine chancengleiche Unternehmenskultur macht Ihr Unternehmen zukunftssicher und attraktiv. Grund hierfür ist, dass Sie besser auf flexible Arbeitszeitmodelle eingestellt sind und deshalb das große Entwicklungspotenzial von Frauen in Führungspositionen für sich nutzen können. Deshalb sollten Sie schon bei der Rekrutierung auf die Formulierung Ihrer Stellenanzeige achten und insbesondere darauf, Frauen direkt anzusprechen. Werben Sie mit Ihrer modernen Unternehmenskultur, wie beispielsweise einem Diversity-Konzept, und machen Sie Frauen auf Ihr Unternehmen aufmerksam. Was unterscheidet z. B. Ihr Unternehmen beim Thema Chancengleichheit von anderen? Welche besonderen Benefits können Sie Frauen bieten? Hierbei verweisen Sie auf die besondere Familienfreundlichkeit und die modernen Arbeitszeitmodelle Ihres Unternehmens. Dadurch gewinnen Sie neben Männern auch Frauen für ein erstes Bewerbungsgespräch und können Ihren Talentpool deutlich erweitern.

Ein professioneller und chancengerechter Rekrutierungsprozess zahlt sich aus. Stellen Sie sicher, dass sowohl während des Bewerbungsverfahrens als auch bei der Personalauswahl Frauen gleichberechtigt behandelt werden.

Etablieren Sie diese Gesichtspunkte auch in Ihrer Öffentlichkeitsarbeit sowie in Ihrer Social-Media-Präsenz.

4. Familie und Beruf unter einem Hut: Work-Life- Balance verbessern

Möchten Sie eine moderne Unternehmenskultur schaffen und Frauen in ihrer Karriere unterstützen, spielt die Work-Life-Balance eine wichtige Rolle. Versuchen Sie, Frauen in Führungspositionen bei einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Karriere zu unterstützen. Damit einhergehend sollten Arbeitszeiten nicht nur in den unteren Ebenen, sondern auch auf der obersten Führungsebene flexibel gestaltbar sein. Bieten Sie beispielsweise befristete Teilzeitmodelle an, bei denen nach Ablauf der Frist Frauen die Rückkehr in eine Vollzeittätigkeit garantiert wird.

Darüber hinaus sollten Möglichkeiten wie Homeoffice oder Telearbeit auch zukünftig angeboten werden. Seien Sie flexibel und überlassen Sie Ihren Mitarbeitenden die Wahl des Arbeitsplatzes. Unterstützen Sie Ihre Mitarbeitenden, indem Sie ihnen die notwendige technische Ausstattung zur Verfügung stellen und sie auf ihrem Karriereweg durch Coaching-Maßnahmen sowie organisatorisch begleiten. Vermitteln Sie das Gefühl einer intensiven Unterstützung.

IV. Fazit

In den letzten Jahren ist viel unternommen worden, um Frauen den Weg in die Führungspositionen zu ermöglichen. Die zu Beginn gestellte Frage kann jedoch nicht eindeutig beantwortet werden. Es lässt zwar vieles darauf schließen, dass Unternehmen gewillt sind, qualifizierte Fach- und Führungskräfte ausschließlich nach der Leistung und nicht nach dem Geschlecht auszuwählen. Jedoch werden sowohl Unternehmen als auch die gesamte Gesellschaft noch einige Zeit benötigen, um nicht wieder vollständig in alte Muster zu verfallen. Denkmuster, wie das Assoziieren von Führungsaufgaben mit männlichen Eigenschaften oder ein Rollenverständnis, bei dem Frauen die Kindererziehung übernehmen und Männer für die finanzielle Versorgung zuständig sind, gilt es noch stärker zu durchbrechen. In der Umsetzung ist es wichtig, nicht nur in Unternehmen, sondern in der gesamten Gesellschaft eine größere Akzeptanz zu schaffen.

Insgesamt versuchen viele Unternehmen bereits, erste Konzepte zu erarbeiten und sich die Wettbewerbsvorteile von qualifizierten weiblichen Führungskräften vor Augen zu führen. Denn schlussendlich überwiegen die Vorteile einer ausgeglichenen Verteilung der Geschlechter in den oberen Führungspositionen. Mit einer professionellen Unterstützung, den richtigen Konzepten und Methoden sowie einer genderorientierten Einstellung können sogar Erfolge durch die Einstellung von Frauen verzeichnet werden. So bessert sich das Image des Unternehmens und individuelle-persönliche Kompetenzen von Frauen und Männern können stärker genutzt und in Kombination zum Erfolg führen.

Vermutlich wird es noch einige Jahre dauern, bis die Balance von Männern und Frauen in Führungspositionen gegeben ist. Versuchen Unternehmen jedoch, für eine ausgeprägte Work-Life-Balance zu sorgen, alternative Karrieremöglichkeiten aufzuzeigen, eine genderorientierte Unternehmenskultur zu etablieren oder bei der Rekrutierung von Führungskräften verstärkt auf ein gerechtes Bewerbungsverfahren zu achten, kann das Ziel schneller erreicht werden, als wir denken.

Artikel erschienen in der Zeitschrift für Betrieb und Personal, Stollfuß Medien


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