Wer eine Führungsposition nicht Vollzeit ausüben möchte, sieht sich bislang zu meist dazu gezwungen entweder auf die berufliche Karriere zu verzichten und in eine Teilzeitfunktion zu wechseln oder die – meist privaten – Gründe für eine Arbeitszeitverkürzung zugunsten der persönlichen Karriere hintenanzustellen. Doch welche Chancen würden sich überhaupt bieten, wenn eine Arbeitszeitverkürzung kein limitierender Faktor mehr für eine berufliche (Weiter-)entwicklung wäre? Welche Chancen bestehen für den Arbeitgeber überhaupt?

I. Ausgangssituation: Führung ist nicht teilbar

In der Praxis werden aktuell kaum Führungspositionen in Teilzeit ausgeübt, da eine Verkürzung der Arbeitszeit nicht selten mit dem Wegfall der Führungsverantwortung verbunden ist oder einen beruflichen Aufstieg in eine Führungsposition verhindert. Doch warum ist dies der Fall? Die einhergehende Meinung ist, dass eine Führungsposition immer nur von einer einzigen Person ausgeübt werden kann. Führung ist demnach nicht teilbar. Ist es nicht möglich eine Führungsaufgabe in Teilzeit zu erfüllen, wird die Führungsposition neu besetzt (oder auch kommissarisch für einen Zeitraum durch eine andere Person besetzt).

Die Gründe für den Wunsch nach einer Beschäftigung in Teilzeit entstehen zumeist aus den privaten Umständen der jeweiligen Person heraus. Beispiele hierfür können die Erziehung von Kindern, die Pflege alter Menschen oder auch eine Eingliederung im Anschluss einer Erkrankung sein.

II. Was ist TopSharing?

Um genau in diesen Fällen eine flexible und individuelle Lösung anbieten zu können, gibt es den TopSharing-Ansatz.  Dieser wurde von Julia K. Kuark[1] eingeführt und erweitert das Modell des Jobsharings auf die Ebene von Führungspositionen. In der Praxis bedeutet das, dass sich zwei Führungskräfte eine Führungsposition teilen. Dabei ist es nicht relevant, in welchem zeitlichen Verhältnis die Führungsposition unterhalb der Personen aufgeteilt wird (z.B. 50/50 oder 70/30).

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung des TopSharing-Modells sind zum einen eine Prozessorientierung innerhalb der Organisation und zum anderen eine dialogische Kommunikation, welche eine unabdingbare Basis für partnerschaftliches Management ist. Der Begriff der Prozessorientierung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Weg zum Ziel auf die gleiche Stufe wie das zu erreichende Ziel gesetzt wird. Veränderungen sind in diesem Rahmen die Folge einer kontinuierlichen Kette von Entscheidungen und Umsetzungsmaßnahmen.

Ein effektives Zusammenspiel von Prozessorientierung und dialogischer Kommunikation bildet das Fundament eines erfolgreichen TopSharings. Im Idealfall können dann die beteiligten Personen ihre jeweiligen Perspektiven und Bedürfnisse einbringen und sich untereinander austauschen. Dieser Austausch bildet dann die Grundlage für Entscheidungen sowie die Identifikation und Umsetzung von Maßnahmen.

III. Vorteile des TopSharing-Ansatzes für Arbeitnehmer

Allen voran Personen, die für eine Führungsaufgabe qualifiziert sind, aber nur in Teilzeit arbeiten möchten, bietet sich durch TopSharing die Möglichkeit sich verstärkt Zeit für das Privatleben zu nehmen (zumeist für eine begrenzte Zeitspanne), ohne dabei auf eine berufliche Karriere als Führungskraft verzichten zu müssen. Damit kann die Motivation der jeweiligen, auch potenziellen Führungskräfte, gesteigert werden. Vor allem Personen, die sich auf Basis dieser Befürchtung bislang gegen eine Teilzeittätigkeit entschieden haben, haben unter Umständen unter hoher Belastung versucht, Privatleben und den Vollzeitjob als Führungskraft zu vereinbaren.

IV. Vorteile für Arbeitgeber, insbesondere im öffentlichen Umfeld

Nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber können vom Ansatz des TopSharings profitieren. So kann TopSharing dabei helfen, dass Arbeitnehmer nicht mehr überlastet vom Privatleben am Arbeitsplatz erscheinen. Ein weiterer Vorteil ist, dass Kompetenzen und Erfahrungen von zwei Führungskräften in einer Führungsposition gebündelt werden. Die unterschiedlichen Starken und Schwächen der Führungskräfte führen dazu, dass die Anforderungen einer Führungsposition besser erfüllt werden.

Der Ansatz des TopSharings ist nicht auf den Bereich der Privatwirtschaft beschränkt und kann folglich auch im öffentlichen Sektor und der öffentlichen Verwaltung angewandt werden. Gerade im Bereich der Führungskräfte sind Verwaltungen vielerorts auf der Suche nach passsenden Kandidaten. Durch den TopSharing-Ansatz könnten sie hier weiter an Attraktivität gewinnen. Doch nicht nur die Gewinnung neuer Mitarbeiter kann mit Hilfe von TopSharing erreicht werden, insbesondere bei aktuellen Arbeitnehmern kann dies zu einer erhöhten Identifikation mit und Bindung an die Verwaltung führen. Des Weiteren können öffentliche Verwaltungen mit TopSharing auch einen erheblichen Beitrag zur Gleichstellung leisten.     

V. Fazit

Natürlich kann es aber auch zu entsprechenden Herausforderungen kommen. Eine Führungskraft muss komplexe Aufgaben bearbeiten sowie sich zusätzlich mit dem TopSharing-Partner koordinieren, sodass ein nicht rechtzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes die Folge ist. Dies steht natürlich im Gegensatz zu der eigentlichen Absicht, Arbeitszeit zu reduzieren. Aus diesem Grund müssen sowohl die TopSharing-Partner als auch deren Führungskräfte penibel darauf achten, dass dies verhindert wird.

Insgesamt bieten sich durch TopSharing vor allem vielfältige Chancen. Sowohl Arbeitnehmer, die ihre berufliche Entwicklung individueller mit privaten Bedürfnissen verbinden können, als auch Arbeitgeber die Personal gewinnen, motivieren und binden können sowie für mehr Gleichstellung sorgen, können hier profitieren. Viele Verwaltungen haben sich bereits das Ziel gesetzt, als Arbeitgeberin familienfreundlicher zu werden. Teilzeitangebote, flexiblere Arbeitszeiten oder Angebote für Kinderbetreuung gehören hierbei schon zum Repertoire und könnten durch TopSharing erweitert werden.


[1] Kuark, J. K. (2002). TopSharing: Jobsharing in Führungspositionen. Wirtschaftspsychologie, 4(1), 70-77.


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