Teilzeit als Führungskraft? Das letzte Jahrhundert rollt mit den Augen. Zum Glück sind wir aber inzwischen ein bisschen weiter: Mehr und mehr setzen nicht nur Unternehmen, sondern auch Behörden auf das sogenannte Topsharing. Was es damit auf sich hat, wo die Herausforderungen und Chancen liegen, erfahren Sie hier.
Definition: Was ist Shared Leadership?
Bei Shared Leadership handelt es sich um die geteilte Führung – eines Unternehmens, einer Behörde, einer Abteilung, eines Projekts etc. Ein aktuelles Beispiel sind die Doppelspitzen verschiedener Parteien. Neben Shared Leadership und Topsharing finden Sie auch die Begriffe Co-Leadership, Joint Leadership, Co-Führung oder geteilte Führung: Alle diese Namen zeigen an, dass sich zwei oder mehr Personen die Führungsaufgaben teilen.
Darum wird Shared Leadership immer interessanter
Die Babyboomer gehen nach und nach in Rente, der Fach- und Führungskräftemangel verstärkt sich. Behörden und Unternehmen müssen sehr genau überlegen, wie sie sich in der Konkurrenz um die Arbeitskräfte aufstellen möchten. War es lange Zeit kein Problem, Teilzeit in Führungspositionen rundweg abzulehnen, müssen Arbeitgeber langsam umdenken. Andernfalls werden sie als ewig gestrig gesehen und haben das Nachsehen auf dem Arbeitsmarkt.
Lange war die Führungsposition unantastbar: Entscheidungen trifft eine Person, da wird nichts geteilt. Dieses Vorgehen ist starr, aber deutlich leichter umzusetzen. Führung zu teilen, ist komplex und erfordert viel Kommunikation. Allerdings ist die einfachste Vorgehensweise nicht automatisch auch die beste.
Diese Chancen und Vorteile bietet die Shared Leadership
Es gibt eine Reihe positiver Punkte, die gut funktionierendes Topsharing mit sich bringt:
- Zwei Führungskräfte können sich fachlich ergänzen und unterschiedliche Erfahrungen in den Job einbringen. Aufgaben werden von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet und der Austausch gewährt einen ganzheitlichen Blick. Die Anforderungen an die Position werden durch die Kombination der Stärken und Schwächen zweier Personen besser erfüllt, als das bei einer Einzelperson der Fall ist.
- Bei der Belegschaft steigt die Motivation: Angestellte, die bislang etwa wegen familiär gebundenen Kapazitäten auf den nächsten Karriereschritt verzichtet haben, bewerben sich nun häufiger auf eine Führungsposition. Dadurch werden erfahrene Kräfte langfristig an den Arbeitgeber gebunden.
- Shared Leadership ist speziell für jüngere Fachkräfte ein großer Pluspunkt auf dem Arbeitsmarkt und ein attraktiver Baustein des Employer Brandings. Arbeitgeber, die Teilzeitangebote machen, zwingen die Angestellten nicht zur Entscheidung zwischen Familie und Karriere. Sie werden von den raren Fachkräften deutlich bevorzugt.
- Topsharing bedeutet einen großen Beitrag zur Gleichstellung: Geht es um die Betreuung des Nachwuchses oder die Pflege der Eltern, sind es in der überwiegenden Mehrheit noch immer die Frauen, die die unbezahlte Carearbeit übernehmen, im Job zurückstecken. Shared Leadership ermöglicht ihnen trotz ihrer anderweitigen Aufgaben die Karriere.
- Jobsharing in der Führung kann zudem dafür sorgen, dass sich die betreffenden Führungskräfte weniger allein fühlen: Allzu oft kommt es vor, dass die Leitung eines Teams oder einer Abteilung zu einer gewissen Vereinsamung führt.
Berlin hat die Zeichen der Zeit erkannt: In der Hauptstadt gibt es das Modellprojekt Jobsharing im Öffentlichen Dienst: „Die Möglichkeit des Führens in Teilzeit oder des Jobsharings“, heißt es aus der Senatskanzlei, „soll zukünftig zur Selbstverständlichkeit in der Berliner Verwaltung werden.“ Jobsharing soll als innovativer Ansatz besonders gefördert werden. (Zur Pressemitteilung)
Das sind die Herausforderungen und Nachteile des Topsharings
Shared Leadership ist absolut kein Selbstläufer. Sie können also nicht eine Stelle zwischen zwei Personen aufteilen und hoffen, dass alles gutgeht. Diese Punkte sollten Sie bedenken:
- Grundsätzlich können zwei Personen nur dann gemeinsam eine Führungsrolle ausüben, wenn sie ähnliche Vorstellungen davon haben, was Führung ausmacht, welche Strategie sinnvoll ist und wie ein gemeinsames Vorgehen aussehen sollte.
- Es ist unabdingbar, dass beide die Entscheidungen der anderen Person mittragen – auch, wenn diese gerade nicht vor Ort ist.
- Das gemeinsame Vorgehen sollte den reibungslosen Ablauf der Arbeitsprozesse priorisieren: Mitarbeitende sollten keine Mehrarbeit oder Unsicherheiten durch die geteilte Stelle haben.
- Fortlaufende, engmaschige Kommunikation ist nötig, um die geteilten Aufgaben zu bewältigen. Als praktikabel haben sich Übergabetermine und gemeinsame Logbücher oder Notizenapps erwiesen.
- Da es sich um die Etablierung eines Teams handelt, müssen alle für die Organisation und das Personal Verantwortlichen vor Beginn der Teilzeitarbeit informiert und abgeholt werden. Idealerweise können Sie bereits im Vorfeld Lösungen für die drängendsten Fragen zur Organisation vorlegen: Wer arbeitet wann, gibt es Überschneidungen, werden Aufgaben aufgeteilt oder gemeinschaftlich verantwortet?
- Eine Freundschaft zwischen den betreffenden Führungskräften ist nicht notwendig. Beide sollten aber imstande und bereit sein, eine Einheit zu bilden – und zwar nicht nur nach außen. Es muss beiden klar sein, dass es nicht um Konkurrenz, sondern um Zusammenarbeit geht.
Shared Leadership erfordert also deutlich mehr Kommunikation, als das bei einer Vollzeitstelle mit nur einer Person der Fall ist. Unter Umständen werden dadurch auch die Abstimmungswege länger.
Topsharing ist nichts Neues
Inoffiziell findet Shared Leadership bereits an vielen Arbeitsstellen statt:
- Manche Führungskräfte ermutigen ihre Teammitglieder, eigene Entscheidungen zu treffen, und geben ihnen viel Eigenverantwortung und Entfaltungsspielraum.
- Manche älteren Führungskräfte lernen inoffiziell die Person an, die sie gern als Nachfolgerin oder Nachfolger sehen würden – hier erfolgt ebenfalls eine Verteilung der Aufgaben, ohne dass dies allerdings benannt oder vertraglich festgehalten wird.
- Einige Führungskräfte wissen, dass sie in bestimmten Bereichen Defizite haben und andere aus dem Team hier viel versierter sind. Daher übertragen sie bestimmte Aufgaben immer wieder einer Person, über deren eigentliche Befugnisse diese Arbeit hinaus geht.
Die Umsetzung von Topsharing kann diese inoffizielle Aufgabenverteilung durch Führungskräfte legitimieren und honorieren. Das sorgt auch für eine deutlich bessere Stimmung innerhalb der Teams.
Fazit: Darum ist Shared Leadership eine wichtige Weichenstellung
Topsharing ist keine Zukunftsmusik, sondern eine dringend notwendige Anpassung von Behörden und Unternehmen an den veränderten Arbeitsmarkt. Je nach Bedürfnis ist es relativ frei gestaltbar: Zwei Führungskräfte können sich Stelle etwa im Verhältnis 50/50, aber auch 60/40 oder 70/30 teilen. Das hängt ganz davon ab, wer wie viele Kapazitäten hat. Auch eine Dreiteilung ist denkbar. In unterschiedlichen Abteilungen sind verschiedene Lösungen möglich.
Vielleicht haben Sie bei den Herausforderungen und Nachteilen die Kosten für den Arbeitgeber vermisst: Zwei Teilzeitstellen kosten ihn schließlich effektiv mehr als eine Vollzeitstelle. Dieser Punkt wurde vernachlässigt, weil die gehobene Qualität der gemeinschaftlich verantworteten Aufgaben ihn in den meisten Fällen mehr als wettmacht.
Entscheiden Sie sich für das Angebot von Teilzeitstellen in Führungspositionen, werden Sie feststellen, dass Sie nicht nur brachliegende Kapazitäten Ihrer Mitarbeitenden ausschöpfen können: Diese kommen auch weniger überlastet von den Aufgaben daheim zum Arbeitsplatz und arbeiten deutlich zielstrebiger und motivierter. Sie haben eine Menge zu gewinnen, wenn Sie Shared Leadership ermöglichen – und an Akzeptanz auf dem Arbeitsmarkt zu verlieren, wenn Sie es nicht tun.
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