Es ist Bewerbungstag – wie anstrengend und unangenehm. Vor allem, weil Sie dafür sorgen müssen, dass niemand den Job bekommt, der talentiert ist und Lust hat zu arbeiten. Andernfalls wäre das Risiko zu groß, dass jemandem die Misswirtschaft in Ihrer Abteilung auffällt. Zum Glück wissen Sie, wie Sie vorgehen müssen.
Das Bewerbungsgespräch aus der Hölle
Sie betreten den Besprechungsraum, in dem der Bewerber auf seinen Termin wartet, und sehen direkt: Er ist motiviert und gut vorbereitet. Wahrscheinlich erwartet er Klarheit, Struktur und sinnvolle Fragen, mit denen Sie herausfinden können, ob er für die ausgeschriebene Stelle passt. Da werden Sie ihm aber einen Strich durch die Rechnung machen. Schon mit Ihrem Einstieg bringen Sie ihn aus dem Gleichgewicht:
„Wenn Sie ein Tier wären – welches wäre das und warum?“
Perfekt, das ist komplett sinnlos. Die ausgeschriebene Stelle hat überhaupt nichts mit Tieren zu tun, und während er jetzt fieberhaft nach Metaphern sucht, geht seine Konzentration flöten. So mögen Sie die Bewerberinnen und Bewerber – hilflos und verunsichert. Als welches Tier sich irgendwer sieht, ist Ihnen egal. Sie sehen sich jedenfalls nicht als Tier. Sie fahren mit einem Klassiker fort:
„Was ist Ihre größte Schwäche?“
Noch während Sie die Frage aussprechen, müssen Sie ein Gähnen unterdrücken. Aus unerfindlichen Gründen antworten hier alle, dass sie ein bisschen zu perfektionistisch veranlagt sind und es ihnen schwerfällt, weniger als 100 Prozent abzuliefern. Eigentlich fragen Sie auch nur noch, um herauszufinden, ob sich denn wirklich niemand als faul oder unaufmerksam bezeichnen will. Bislang hatten Sie kein Glück damit. Schnell weiter also zu interessanteren Themen:
„Wie steht es um Ihre Familienplanung?“
Jaja, ist nicht erlaubt. Aber wie soll man denn ohne diese Frage herausfinden, ob der neue Mitarbeiter längere Ausfälle plant? Früher konnte man zumindest noch sicher sein, dass die Frau sich um den Nachwuchs kümmert. Jetzt kommt es allerdings immer mehr in Mode, dass auch Väter in Elternzeit gehen. Und Ihr Arbeitgeber hat ja auch kein Interesse daran, jemanden einzustellen, nur um ihn dann wieder ersetzen zu müssen! Ihr persönlicher Vorteil ist, dass der Bewerber die Frage übel vermerkt. Er laviert sich kühl um die Antwort herum.
Es geht weiter – die nächste Frage verstehen Sie selbst nicht ganz:
„Wie viele Golfbälle passen in einen SUV?“
Einen schrecklichen Moment lang befürchten Sie, dass Sie ebenso ratlos und verwirrt wirken wie Ihr Gegenüber. Die Personalabteilung liebt diese Frage wegen irgendetwas mit logischem Denken. Wenn man die ungefähren Volumina von Golfball und SUV kennen würde und dann die passenden Formeln im Kopf hätte, könnte man sich eine ungefähre Antwort herleiten. Oder so. Hat mit der Stelle nichts zu tun. Hoffentlich sagt der Bewerber jetzt keine Zahl! Besser schnell weiter zur nächsten Frage:
„Was war Ihr größter Fehler bei der Arbeit?“
Ah, wie sie sich immer winden, wenn Sie diese Frage stellen! Sie sind sich ziemlich sicher, dass die meisten sie nicht wahrheitsgemäß beantworten. Jedenfalls haben Sie noch nie gehört, dass irgendjemand es zu verantworten hatte, dass der Arbeitgeber hohe Strafen zahlen musste oder einen Auftrag verloren hat. Immerhin fühlt Ihr Gegenüber sich unwohl und gerät ins Schwitzen, während es herbeifabuliert, was es aus diesem Fehler gelernt hat. Jetzt sind Sie in Ihrem Fahrwasser und setzen direkt noch einen drauf:
„Warum sollten wir Sie NICHT einstellen?“
Sicherlich hat er sich vorbereitet auf die Frage, weshalb Sie ihn einstellen sollten. Hat trainiert, wie er seine Stärken und seinen Mehrwert fürs Team so sachlich wie möglich darlegt, damit er nicht als Angeber erscheint. Aber jetzt muss er umdenken – muss erklären, aus welchen nichtigen Gründen man auf ihn verzichten könnte. Er muss klarmachen, dass eigentlich das Gegenteil der Fall ist. Und er muss den Satz „das kann ich nicht“ umgehen, denn wie sieht es aus, wenn man im Bewerbungsgespräch zugibt, dass man etwas nicht kann? Negativfragen sind die besten, Sie haben gleich noch eine:
„Welche drei Eigenschaften mögen Sie an Kolleginnen und Kollegen so gar nicht?“
Das muss man erstmal hinkriegen, dass man wahrheitsgemäß auf eine solche Frage antwortet und dabei nicht wirkt, als würde man lästern und sich über andere erheben! Es ist schwierig, dabei sympathisch zu bleiben – vor allem, wenn man die Antwort aus dem Ärmel schütteln muss. Ihr Gegenüber ist sichtlich angestrengt, da können Sie das Gespräch mal wieder auf ein anderes Terrain verlagern:
„Was war Ihr Lieblingsspielzeug, als Sie klein waren?“
Während Sie zuschauen, wie er alle wichtigen Informationen über Branche, Arbeitgeber, eigene Qualifikationen und Stärken beiseiteschiebt, um sich an Teddy zu erinnern, wird Ihnen warm ums Herz. Wer gern womit gespielt hat, ist für das heutige Leben völlig egal. Das weiß auch ihr Gesprächspartner, der eher kurz angebunden von Teddy berichtet. Zeit, ihm den letzten Schlag zu versetzen:
„Können Sie mir einen Witz erzählen?“
Im Ernst, wenn er das kann und der auch noch lustig ist, dann ist der Bewerber belastbarer als die meisten anderen. Das Gute ist aber grundsätzlich, dass Sie ein derartig inkompetentes und uninteressiertes Bild abgegeben haben, dass Ihr Gegenüber mit großer Wahrscheinlichkeit dankend ablehnen wird, wenn Sie ihm die Stelle anbieten müssen.
Wenn es besser laufen soll
Sollten Sie stattdessen ein ernsthaftes Interesse an Ihrem Gegenüber haben und auf der Suche nach einer sinnvollen Ergänzung für Ihr Team sein, sorgen Sie für Struktur, Ordnung und Relevanz im Bewerbungsgespräch:
- Gehen Sie auf die Bewerbung und den Lebenslauf Ihres Gegenübers ein – dass Sie sich auf das Gespräch ebenso vorbereiten wie die Bewerberinnen und Bewerber, zeugt von Respekt und Augenhöhe.
- Bitten Sie Ihr Gegenüber, bestimmte Begebenheiten aus bisherigen Arbeitstagen zu schildern oder zu erklären, wie es in einer von Ihnen skizzierten Situation vorgehen würde. Natürlich sollte es sich dabei um eine Situation handeln, die für die Stelle tatsächlich relevant ist.
- Verzichten Sie auf Scherzfragen sowie auf solche Fragen, die auf logisches Denken oder Schlagfertigkeit abzielen: Ob jemand in der Ausnahmesituation des Bewerbungsgesprächs eine passende oder originelle Antwort darauf bereit hat, sagt nichts über die Eignung für die Stelle aus.
- Möchten Sie etwas über Stärken, Schwächen und den möglichen Mehrwert Ihres Gegenübers für das Team wissen, fragen Sie direkt danach und nicht über abwegige Metaphern – Letzteres hat immer einen leichten Anstrich von Küchentischpsychologie, sorgt für einen faden Nachgeschmack und bringt Ihnen oft nur klischeebehaftete Antworten ein.
- Geben Sie Ihrer Gesprächspartnerin oder Ihrem Gesprächspartner die Möglichkeit, Fragen zu stellen: Einerseits vervollständigen Sie so das Bild, das die Person sich von der Arbeitsstelle macht, andererseits erfahren Sie auch, welche Themenbereiche ihr wichtig sind.
Seien Sie offen, freundlich und interessiert – so loten Sie die wahren Potenziale Ihres Gegenübers aus. Vergessen Sie nicht, dass auch Sie und Ihr Arbeitgeber ein Interesse daran haben, dass dieses Gespräch positiv verläuft. Erfragen Sie alle Informationen, die Sie benötigen, aber geben Sie umgekehrt auch bereitwillig Auskunft.
Behalten Sie immer im Hinterkopf, dass Ihr Gegenüber sich ebenfalls ein Bild macht und sich anhand des Gesprächs entscheidet, ob die Stelle geeignet ist oder nicht: Bei einer Zusage wird die Person hier schließlich den Großteil ihrer wachen Zeit an den Wochentagen verbringen – da hilft es, wenn die Werte weitgehend übereinstimmen und die Anforderungen ein passendes Maß haben. Bei beiderseitiger Zufriedenheit können Sie bald ein wertvolles neues Teammitglied begrüßen.
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