Jedes noch so gute Einstellungsverfahren kann auch noch nach dem Abschluss daran scheitern, dass sich die Wunsch-Kandidaten nicht in der Organisation aufgenommen fühlen und sich über kurz oder lang wieder neuen Arbeitgebern anbieten. Um diese Entwicklung zu vermeiden, bietet sich ein systematisches Onboarding an.

Der Begriff Onboarding umfasst dabei mehr als nur die aufgabenbezogene Einarbeitung der neuen Kolleginnen und Kollegen. Eine wörtliche Übersetzung könnte „An-Bord-Nehmen“ lauten und zeigt damit schon die Tragweite dieser Aktivität. Eng gefasst beschreibt „an Bord nehmen“ die bloße Anwesenheit einer Person auf einem Transportmittel wie einem Schiff bzw. in einer Organisation. Häufiger ist mit „an Bord“ jedoch auch persönliche Einsatzbereitschaft oder Commitment gemeint, sodass Personen, die bei etwas „an Bord“ sind, ihre Unterstützung im Sinne eines gemeinsamen Zieles zusichern. Damit ist das Onboarding ein wichtiges Mittel, um das Commitment neuer Mitarbeitenden zu erzeugen und zu steigern.

Wie gelingt nun ein gutes Onboarding?

Um diese Frage zu beantworten lohnt sich der Blick auf die Prozesse nach dem Auswahlverfahren und der Entscheidung für die Wunschkandidatin oder den Wunschkandidaten.

Nachdem die Details abgestimmt sind und der Arbeitsvertrag von beiden Seiten unterschrieben ist, vergeht in der Regel noch einige Zeit bis der erste Arbeitstag ansteht. Diese Zwischenzeit kann als Preboarding-Phase bezeichnet werden und verdient ebenso viel Aufmerksamkeit wie das Onboarding ab dem ersten Arbeitstag. Während des Preboarding sollen die neuen Mitarbeitenden darin bestärkt werden, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben und ihre neue Stelle auch tatsächlich antreten. Dies gelingt einerseits durch eine gute Informationsweitergabe darüber, wie der erste Arbeitstag geplant ist, welche Dokumente bis dahin noch benötigt werden oder wer bei Rückfragen als vertrauliche Ansprechperson zur Seite steht. Andererseits bieten Einladungen zu bereits geplanten Teamevents, Weiterbildungsmaßnahmen oder inoffizielle Aktivitäten nach dem Feierabend die Möglichkeit, auch mit den neuen Kolleginnen und Kollegen in Kontakt zu kommen und ein Gefühl für die bestehenden sozialen Strukturen zu entwickeln. Zudem hat die zukünftige Führungskraft in dieser Phase eine besondere Rolle. So kann sie durch ein persönliches Gespräch im Vorfeld des ersten Arbeitstages mehr Sicherheit und Gelassenheit bei den neuen Mitarbeitenden erzeugen und die Nervosität am ersten Tag reduzieren.

Auch kann dadurch die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden, losgelöst von dem sonst vielleicht stressigen Arbeitsalltag, mit besonderer Aufmerksamkeit aufgebaut werden. Für die neuen Mitarbeitenden bedeuten diese Angebote vor allem eines: „Du bist willkommen und wir freuen uns auf Dich! Wir wollen, dass Du bei uns einen guten Start hast!“.

Dabei ist jedoch wichtig, die Freiwilligkeit dieser Angebote zu betonen. Nicht jeder neue Mitarbeitende hat die Zeit oder die Lust, sich an diesen Aktivitäten zu beteiligen. Das Gefühl zu vermitteln, diese Termine seien verpflichtend, könnte auch einen gegenteiligen Effekt bewirken und die neuen Mitarbeitenden ungewollt unter Druck setzen.

Nach erfolgreichem Preboarding folgt der erste Arbeitstag und die erste Woche. Im Alltag kennt man Boarding besonders im Kontext des Fliegens. Beim Betreten eines Flugzeugs stehen nicht selten die Piloten sowie Teile der Kabinencrew am Eingang und nehmen Sie freundlich in Empfang, bieten Hilfe beim Finden der Sitzplätze an oder verteilen Süßigkeiten. Gleiches gilt für den ersten Arbeitstag in einer Organisation. Die Führungskraft und die Kolleginnen sowie Kollegen heißen die neuen Mitarbeitenden vielleicht sogar mit einem Geschenk willkommen, verteilen Büroutensilien, Zugänge zu Software sowie der technischen Ausstattung des Arbeitsplatzes und bieten ihre Hilfe zur Orientierung und bei Fragen an. Hilfreich für die Orientierung am ersten Tag können über den persönlichen Austausch hinaus Handbücher oder Guidelines mit den wichtigsten Prozessen, Strukturen und Personen sein. Eine umfassende und verständliche Beschreibung der Arbeitsweise bspw. in der Projektbearbeitung, Erläuterungen zu der häufig genutzten Software oder die Auflistung der Ansprechpersonen für weiterführende Fragen bieten nicht nur den Einsteigern eine Hilfe. Sie bedeuten auch eine Entlastung für die Kolleginnen und Kollegen. Denn die ersten Tage sind nicht nur für die „Neuen“ eine Herausforderung. Auch die „alten Hasen“ müssen sich, trotz der Freude über neue Gesichter, an Änderungen gewöhnen und sich für die Einarbeitung Zeit nehmen. Es liegt also nahe, eine physische oder digitale Onboarding-Mappe mit allen für den Start wichtigen Informationen zu erstellen und gleichzeitig die Kolleginnen und Kollegen zu bitten, sich auf die Einarbeitung vorzubereiten und diese in die Terminplanung einfließen zu lassen.

Um die soziale Integration anzuregen bietet sich der persönliche Austausch beispielsweise beim gemeinsamen Mittagessen an. Entsprechende Einladungen sollten durch das Team erfolgen, um die vorhandene Bereitschaft zur Einbindung ins Team auszudrücken. Ebenfalls ist ein persönliches Vorstellen bei den Kolleginnen und Kollegen und zukünftigen Ansprechpersonen auch außerhalb der eigenen Organisation sinnvoll. Abhängig von der Organisationsgröße kann dies mehr oder weniger Zeit in Anspruch nehmen. Startet eine größere Anzahl neuer Mitarbeitenden sind ganze Welcome-Events eine gute Idee. Die „Neuen“ vernetzen sich bereits untereinander und können durch entsprechende Vorträge und Informationsangebote das Wichtigste gleich zu Beginn in einem besonderen Rahmen erfahren. Durch den persönlichen Kontakt mit ihren Kolleginnen und Kollegen können sich die „Neuen“ auch über inoffizielle Regeln oder organisationskulturelle Besonderheiten informieren.

Bis hierhin kommt man oftmals auch noch ohne besondere Systematik aus. Anspruchsvoller wird es im Hinblick auf die ersten 100 Tage in der neuen Position. Um die langfristige Integration in das Team sowie die sukzessive Übernahme größerer Verantwortungsbereiche und die zunehmende Selbstständigkeit in der Aufgabenerledigung zu begleiten, sollten im Vorfeld Einarbeitungspläne aufgestellt werden. In diesen Plänen wird festgehalten, welche Aufgaben nach und nach übernommen werden sollen, welche Erwartungen an die Ergebnisse und das Arbeitsverhalten gelegt werden und anhand welcher Kriterien der Erfolg gemessen werden kann. Die Pläne bieten allen an der Integration Beteiligten eine Orientierung und sind idealerweise so gestaltet, dass die „Neuen“ nicht überfordert werden und sich die Aufgabeninhalte logisch ergänzen und aufeinander aufbauen.

Beispielsweise könnte die Einarbeitung in einzelne Projektprozesse entlang des in der Organisation verankerten Projektverlaufes erfolgen und nicht kreuz und quer, so wie es gerade zeitlich passt. Die Systematik ergibt sich zudem durch das Festlegen einzelner Meilensteine. Nach zwei Monaten sollten bspw. die Arbeitsabläufe verinnerlicht, erste Projekte selbstständig begleitet und das Team weiter zusammengewachsen sein. Daneben sollte Zeit zur Reflektion der erlangten Eindrücke gefunden werden. Besonders Feedback-Gespräche mit der Führungskraft sind dafür ein wichtiges Mittel. Es sollte jedoch nicht nur bei einem Gespräch am Ende der 100 Tage oder nach der Probezeit bleiben. Besser ist es, Termine nach der ersten Woche, nach den ersten 100 Tagen und nach Ablauf der Probezeit zu vereinbaren. Erst durch den wiederholten Austausch können bisherige Entwicklungen erkannt und gegebenenfalls neue Ziele gemeinsam gesteckt werden. Den neuen Mitarbeitenden wird durch diese enge Begleitung die Möglichkeit gegeben, ihre bisherigen Erfahrungen und persönliche Eindrücke auch im Abgleich mit den Erwartungen der Führungskraft zu reflektieren.

Besonders beim Einstieg neuer Führungskräfte kann die Hinzunahme externer Expertise, beispielsweise durch ausgebildete Coaches, in den ersten Monaten ratsam sein. Für diesen Schritt ist jedoch die Bereitschaft auf Seiten der „Neueinsteiger“. unabdingbar. Die Vorteile liegen auf der Hand: auch unangenehme Themen, die vielleicht nicht mit den neuen Kolleginnen und Kollegen und der eigenen Führungskraft angesprochen werden sollen, finden im Gespräch mit einem Coach ihren Raum. Zudem erkennen die Coaches möglicherweise auch „blinde Flecke“ ihrer Coachees, die durch eine interne Betreuung nicht aufgedeckt werden würden. Selbst wenn eine dauerhafte Betreuung durch einen Coach nicht möglich sein sollte, könnte ein Onboarding-Programm, welches gemeinsam mit einem Coach entwickelt wurde, die Qualität des Onboardings steigern und die Integration der neuen Mitarbeitenden verbessern.

Aber nicht nur neue Mitarbeitende können die Zielgruppe des Onboardings sein. Je nach Organisationsstruktur können auch Auszubildende, Dual-Studierende oder Praktikanten mit einem besonderen Onboarding-Programm begrüßt und eingearbeitet werden. Sowohl die Abläufe als auch die Inhalte sollten sich dabei von denen des Programms für (Young) Professionals unterscheiden. Ebenso können Onboarding-Programme für Mitarbeitende eingerichtet werden, die nach einer Schwangerschaft, einem Sabbatical oder auch nach Krankheit wieder in die Organisation zurückkehren. Der Umfang und der Fokus wird sich auch hier von dem Programm für (Young) Professionals unterscheiden müssen.

Warum lohnt sich ein Onboarding-Programm?

Mit oder ohne externer Hilfe erleichtern gut durchdachte und gestaltete Onboarding-Prozesse den (Wieder-)Einstieg neuer Mitarbeitende. Darüber hinaus können weitere Ziele oder Vorteile benannt werden:

Inwieweit sich Onboarding-Programme für die eigene Organisation lohnen, welchen Umfang diese Programme erhalten sollen und wer für die Einarbeitung verantwortlich sein wird, muss jede Organisation selbst entscheiden. Die Erfahrung zeigt auch: ein Programm für die Ewigkeit wird es nicht geben. Im Bereich des Onboardings bieten sich viele Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Was hat bisher gut funktioniert? Wo hätten sich die „Neuen“ vielleicht noch mehr Unterstützung gewünscht? Regelmäßiges Feedback durch die neuen Mitarbeitenden liefern hier die Ansätze, ein gutes Onboarding anbieten zu können.

Fakt ist: Mit der Entscheidung für eine Wunschkandidatin oder einen Wunschkandidaten allein ist der Einstellungsprozess nicht beendet. Das systematische Onboarding gehört ebenso dazu und ist für den langfristigen Erfolg der neuen Mitarbeitenden und damit auch der Organisation entscheidend. Daher fragen Sie sich ruhig regelmäßig: „Bieten wir unseren „Neuen“ den optimalen Einstieg?“. Und wenn die Antwort „Nein“ lautet, versuchen Sie, dies zu ändern.

Artikel erschienen in der Zeitschrift für Betrieb und Personal, Stollfuß Medien


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