Manche Mitarbeitenden stehen zögerlich vor bestimmten Aufgaben, wissen nicht so recht, wie sie anfangen sollen, und schaffen es oft genug, dass jemand anderes die Arbeit übernimmt. Manchmal steckt tatsächlich fehlende Kompetenz dahinter. Manchmal aber wären die Personen durchaus in der Lage, die Aufgabe zu erfüllen – sie mögen sie nur nicht, haben keine Lust dazu oder empfinden sie als Zeitfresser. In diesen Fällen ist die Inkompetenz nur vorgetäuscht. Das geht immer zu Lasten der Kolleginnen und Kollegen, schließlich muss dann jemand anders einspringen.
Das sind die Ziele strategischer Inkompetenz
Im Englischen hat sich für die strategische Inkompetenz unter anderem der Begriff „weaponized incompetence“ entwickelt, also „als Waffe verwendete Inkompetenz“. Mit einer Waffe kann man sich schützen und/oder jemanden angreifen. Man schützt sich mit der weaponized incompetence vor unliebsamen Aufgaben, während man sie gleichzeitig anderen aufbürdet – ein Angriff auf die Struktur des Arbeitstages der Kolleginnen und Kollegen.
Strategische Inkompetenz kann unbewusst sein
Manche Menschen nutzen strategische Inkompetenz ganz bewusst und gezielt, um sich bei der Arbeit einen möglichst lauen Lenz zu machen: Sie bearbeiten nur Aufgaben, in denen sie gut sind, die ihnen Spaß machen oder die ihrer Karriere zugutekommen. Die kleinen alltäglichen Aufgaben hingegen, die lästigerweise anfallen, sollen bitte andere erledigen. Hier handelt es sich um die bewusste Manipulation anderer zum eigenen Vorteil.
Viel häufiger kommt es allerdings vor, dass Menschen nur Erlerntes reproduzieren, sich also ihres Vorgehens nicht bewusst sind. Wer daheim etwa immer wieder „falsch“ die Spülmaschine eingeräumt hat und es deshalb irgendwann gar nicht mehr musste, kann dieses Verhalten auf andere Situationen übertragen. Es ist doch für alle besser, wenn jemand die Aufgabe erledigt, der das gut kann, oder?
Es mag charakterliche Unterschiede geben zwischen den beiden skizzierten Menschengruppen, das Ergebnis aber ist erst einmal das gleiche: Jemand drückt sich vor einer Aufgabe und andere müssen einspringen. Das bringt immer Unruhe, Missstimmung und Frustration ins Team, unabhängig von den Motiven der Person. Entsprechend müssen Vorgesetzte und andere Mitarbeitende aufmerksam sein, um eingreifen zu können.
Strategische Inkompetenz ist auch für diejenigen nicht gut, die sie durchführen – irgendwann wird die Hemmschwelle, Neues zu lernen, allzu hoch!
Diese Punkte deuten auf strategische Inkompetenz hin
Sowohl Führungskräfte als auch die Mitarbeitenden sollten bei bestimmten Sätzen hellhörig werden, wenn sie häufiger fallen. Dazu gehören die folgenden:
- Du kannst das viel besser als ich.
- Du gehst immer so gut mit den Kunden um.
- Mit dem Programm habe ich immer Probleme.
- An meiner letzten Arbeitsstelle haben wir das ganz anders gemacht.
- Als du das gemacht hast, war das doch voll gut.
- Darin bist du doch Profi.
- Ich mach das immer falsch.
Auch häufige Nachfragen zum selben Thema und das wiederkehrende Aufschieben von Aufgaben gehören zu den Symptomen der strategischen Inkompetenz. Insgesamt ist es außerdem wichtig, dass Führungskräfte im Blick haben, wer alltägliche Aufgaben übernimmt bzw. sich davor drückt. Das können ganz verschiedene Dinge sein wie Kaffee kochen, Events organisieren, Datenbankpflege, das Ein- und Ausräumen der Spülmaschine etc.
Die richtige Reaktion auf strategische Inkompetenz durch das Kollegium
Kolleginnen und Kollegen der Person, die strategische Inkompetenz nutzt, können zunächst darauf reagieren, indem sie die abgelehnten Aufgaben nicht übernehmen. Auch ist es möglich, der oder dem Mitarbeitenden die Aufgabe noch einmal kleinteilig zu erklären – es ist ja in der Tat möglich, dass wirklich nur mangelndes Wissen der Grund für die Ablehnung ist.
Zeigt sich aber, dass das Vorgehen wiederkehrt und die Aufgaben einfach liegenbleiben, sollte die zuständige Führungskraft informiert werden. Das ist kein Verrat, sondern hilft dabei, die anfallende Arbeit in der vereinbarten Frist zu erledigen und darüber hinaus den Frieden im Team zu wahren.
Das können Führungskräfte gegen strategische Inkompetenz tun
Vorgesetzte sollten immer einen Blick darauf haben, wer was und wie viel macht und wer sich öfter einmal drückt. Fällt etwas auf oder berichtet jemand von den Mitarbeitenden von strategischer Inkompetenz, sind verschiedene Vorgehensweisen möglich:
- In der Situation, in der eine Person erklärt, dass jemand anders für diese Aufgabe viel besser qualifiziert ist, eignet sich eine direkte Antwort am besten: „Das müssen Sie in Ihrer Position aber können, am besten erledigen Sie das sofort, damit Sie Übung bekommen.“
- Erfährt die Führungskraft im Nachhinein, dass jemand Aufgaben verweigert oder von anderen erledigen lässt, kann ein Mitarbeitergespräch zielführend sein: Es hilft, den Grund für die strategische Inkompetenz herauszufinden – nötig ist das aber nicht. Die oder der Angestellte muss verstehen, dass ein solches Verhalten inakzeptabel ist, und es müssen Hilfsangebote (Trainings, Coachings, Schulungen) gemacht werden.
- Aufgaben und Verantwortlichkeiten werden klar und öffentlich verteilt. Das kann zunächst in Unternehmen und Behörden, die eigentlich auf unsichtbare Führung setzen, wie ein Rückschritt erscheinen. Dennoch bringt diese Vorgehensweise Ruhe und Ordnung ins Team, da die Kolleginnen und Kollegen mehr Handhabe bekommen, um Grenzen zu ziehen, wenn ihnen jemand Zusatzaufgaben aufbürden möchte.
Wie die meisten Problemsituationen am Arbeitsplatz lässt sich also auch die strategische Inkompetenz Einzelner durch offene Kommunikation und Unterstützung auflösen. Das gilt sowohl für diejenigen, die die Vermeidungshaltung unbewusst einnehmen, als auch für diejenigen, die ganz bewusst unliebsame Aufgaben auf andere abwälzen. Es ist nicht einmal nötig, das Motiv zu eruieren, da die oben genannten Vorgehensweisen die weitere strategische Inkompetenz einfach unterbinden.
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