Viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber erkennen inzwischen an, dass ihre Mitarbeitenden ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sind. Es gilt, sie zu halten und für ihr Wohlergehen am Arbeitsplatz zu sorgen. Dazu gehört, dass Führungskräfte Veränderungen und Belastungen bei den Teammitgliedern erkennen und frühzeitig darauf reagieren. Hier erfahren Sie, wie das funktioniert und was es mit Emotional Awareness am Arbeitsplatz auf sich hat.

Nicht alle psychischen Belastungen hängen mit der Arbeit zusammen

Psychische Belastungen bei Mitarbeitenden können verschiedene Auslöser haben: Es kann sich um Überlastung oder Unterforderung bei der Arbeit handeln, um Konflikte im Team, aber auch um Probleme, die mit dem Job selbst nichts zu tun haben. Physische Beeinträchtigungen, Sorgen, Konflikte im persönlichen Umfeld, Suchtmittelkonsum, Stress und viele weitere Dinge beeinflussen Menschen negativ und haben damit auch Auswirkungen auf ihr Verhalten am Arbeitsplatz.

Hinweis: Es ist nicht Ihre Aufgabe als Führungskraft, psychische Belastungen zu bewerten oder zu interpretieren – Sie sollten sie nur erkennen und Hilfe anbieten können.

Anzeichen für psychische Belastungen am Arbeitsplatz

Menschen reagieren unter psychischer Belastung ganz unterschiedlich. Alle haben mal negative Phasen oder sind gedrückter Stimmung. Wichtig ist, dass Sie auf Veränderungen und untypisches Verhalten achten und nachhaken, wenn diese über einen längeren Zeitraum hinweg (etwa vier Wochen) anhalten. Die Veränderungen können verschiedene Bereiche betreffen.

Stress
Veränderungen im Arbeitsalltag verursachen der Person unnormal viel Stress. Sie neigt dazu, Herausforderungen überzubewerten, manchmal Ängste zu äußern, Anfragen abzulehnen und insgesamt einen hohen Workload zu beklagen.

Soziales Verhalten
Wer Belastungen ausgesetzt ist, hat oft keine Kapazitäten mehr für ein offenes Sozialverhalten. Möglich sind:

Derartige Veränderungen sorgen meist für schlechte Stimmung im Team, da die Kolleginnen und Kollegen nicht immer Verständnis aufbringen.

Überdurchschnittliche Fehlzeiten
Die Person fehlt häufig oder kommt zu spät. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen reicht sie manchmal zu spät ein. Sie klagt über Schlafprobleme und Schmerzen. Für die Ausfälle werden verschiedene körperliche, aber unspezifische Probleme angeführt (Kopfschmerzen etc.). Dass für derartige physische Beeinträchtigungen psychische Belastungen der Grund sein können, ist oft für die betroffene Person selbst kaum zu erkennen – und entsprechend schwierig wird es für die Führungskraft.

Starker Leidensdruck
Die oder der Angestellte beklagt sich häufig, sieht immer zuerst das Negative, reagiert übertrieben, ist ausgesprochen empfindlich bei Kritik und wirkt über einen langen Zeitraum hinweg bedrückt.

Absinken der Leistung
Wer an psychischer Belastung leidet, kann nicht dieselbe Leistung erbringen wie eine unbelastete Person. Das äußert sich auf vielfältige Weise:

Diese Punkte gehen direkt zulasten der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers.

Tipps: So suchen Sie als Führungskraft das Gespräch

Es ist Ihre Aufgabe als Führungskraft, das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeitenden im Blick zu haben. Stellen Sie also fest, dass bei einer Person einige der oben genannten Veränderungen auftreten, sollten Sie sie aufmerksam im Blick behalten und sie ansprechen, falls nicht innerhalb weniger Wochen eine Besserung eintritt. Das Gespräch erfordert emotionale Intelligenz und Fingerspitzengefühl (speziell, wenn die Person heftig auf Kritik reagiert). So können Sie vorgehen:

  1. Sie bitten die Person zu einem Gespräch unter vier Augen und erklären, dass Sie sich Sorgen machen, weil Sie eine Veränderung bemerkt haben und glauben, dass es Ihrem Gegenüber nicht gut geht.
  2. Erklären Sie mit Beispielen aus dem Arbeitsalltag, was Sie meinen: etwa, dass die Person gereizt oder kurz angebunden reagiert oder dass es Versäumnisse bei der Arbeit gab. Wichtig ist hier, dass Sie Ich-Botschaften formulieren, also nicht „Sie sind…“, sondern „mir ist aufgefallen, dass…“ oder „auf mich wirken Sie…“. Wichtig: Falls die Person sich für Versäumnisse entschuldigt, verdeutlichen Sie ihr, dass es in diesem Gespräch nicht um Kritik an der Arbeit geht, sondern um die Gründe für die Veränderung.
  3. Äußern Sie Ihre Vermutung, dass es der Person mental nicht gut geht, und bitten Sie sie um ihre Einschätzung, sodass es zu einem Austausch kommen kann.
  4. Machen Sie Hilfsangebote. Fragen Sie nach, was Sie oder die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber tun können. Da hier häufig eine ablehnende Antwort erfolgt, machen Sie nach Möglichkeit ein konkretes Angebot. Viele Behörden oder Unternehmen arbeiten zusammen mit Beratungsstellen, die kurzfristig, kostenlos und anonym Gespräche anbieten.
  5. Fragen Sie nach, was die Person bereits selbst tut oder tun kann – es ist wichtig, dass Sie sie auch an ihre Eigenverantwortung erinnern.
  6. Legen Sie die nächsten Schritte fest, die Sie beide (gegebenenfalls mit Unterstützung durch die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber) gehen werden. Vereinbaren Sie direkt das nächste Gespräch in zwei bis vier Wochen, um die Situation dann neu bewerten zu können.

Es ist durchaus möglich, dass die oder der Betroffene zunächst ablehnend reagiert und einfach Besserung gelobt. Behalten Sie die Situation im Blick und strengen Sie bei Bedarf das nächste Gespräch an.

In vielen Fällen reagieren die betroffenen Mitarbeitenden auch mit Erleichterung, dass jemand die Dinge einmal an- und ausspricht. Zudem wiegt ein solches Gespräch schwerer, wenn die oder der Vorgesetzte es beginnt: Dass die Familie und der Freundeskreis sich Sorgen machen und Ratschläge geben, ist normal. Wenn aber die Führungskraft die Veränderungen anspricht, geht den meisten Betroffenen erst auf, wie stark ihre Probleme bereits für andere wahrnehmbar sind. Häufig ist dies der entscheidende Anstoß, sich Hilfe zu suchen.

Kann man psychischen Belastungen am Arbeitsplatz vorbeugen?

Da die psychischen Belastungen von Mitarbeitenden sowohl berufliche als auch private Gründe haben können, können Sie nie ganz verhindern, dass sie entstehen. Die sogenannte Gefährdungsbeurteilung, die auch die psychischen Gefährdungen durch die Arbeit umfasst, ist ohnehin gesetzlich verpflichtend durchzuführen. Doch auch darüber hinaus gibt es diverse Punkte, die Organisationen und Unternehmen beherzigen können, um die Belastungen durch den Job zu minimieren:

Das Wichtigste ist allerdings, dass Sie als Führungskraft die Mitarbeitenden empathisch im Auge behalten und im Bedarfsfall frühzeitig das Gespräch mit ihnen suchen.


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