Autorin: Waishna Jeyadevan

Der Megatrend „New Work” wird durch einen Wandel des Stellenwertes der Arbeit in der digitalisierten, globalisier­ten und zukunftsorientierten Welt geprägt. Die New Work-Bewegung wird nicht nur viele Umbrüche mit sich bringen, sondern auch entscheidend dazu beitragen, wie wir zukünftig miteinander arbeiten und leben wollen. Viele Unternehmen sind bereits bestrebt, diesen Ansatz einzuführen bzw. weiterzuentwickeln und ihren Mitarbei­tenden anzubieten. Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff New Work? Was erwarten Mitarbeiter:innen (insbesonde­re die der Generation Y und Z) von New Work? Und inwie­fern macht die Umsetzung dieses Konzepts wirklich Sinn?

I. Was bedeutet New Work?

Der Begriff New Work, der verschiedene (auch alternative) Ar­beitsmodelle und -formen umfasst, geht auf den Sozialphiloso­phen Fritjof Bergmann zurück. Bergmann hatte bereits in den 1970ern das Theoriekonzept von New Work  eingeführt. Daher ist dieses Konzept nicht wirklich neu, jedoch für die heutige Arbeitswelt immer noch von entscheidender Bedeutung.  Mit den Grundgedanken Bergmanns haben sich in den letzten Jah­ren gegenwarts- und zukunftsfähige Ideen der Digitalisierung und der Arbeit 4.0 vermischt.

Eine Vielzahl von Modellen und Definitionen von New Work be­schäftigt sich mit der Digitalisierung im Arbeitsleben, mit der Sinnfrage der Arbeit oder auch mit der Potenzialentfaltung eines jeden einzelnen Menschen. Welche wesentlichen Merk­male und Konzepte New Work prägen, werden im Folgenden beleuchtet.

1. Digitalisierung & Digital Literacy

Die Anforderungen an New Work werden erst durch die Digita­lisierung umsetzbar. Auf Grund digitalisierter Arbeitsprozesse und -umgebungen wird effizientes, transparentes und team­übergreifendes Arbeiten ermöglicht. In diesem Kontext spielt außerdem Digital Literacy eine wichtige Rolle, welches den sou­veränen Umgang mit den  Herausforderungen der Digitalität (= digitale Realität) umschreibt und somit eine wichtige Voraus­setzung darstellt. Hierbei geht es nicht nur um die adäquate Verarbeitung des digitalen Informationsüberflusses, sondern auch um die generelle Bereitschaft, sich den neuen Anforderun­gen digital vernetzter Kommunikation zu stellen.

2. Work-Life-Blending

Work-Life-Blending bezeichnet das kluge Verbinden von Arbeits­zeit und Freizeit. Es geht nicht (mehr) darum, zwanghaft den Spagat zwischen zwei Welten herzustellen. Vielmehr verschmel­zen die Arbeits- und Lebenswelt miteinander, so dass genau definierte und klar umrissene Bereiche aufgehoben werden. Dies würde bedeuten, dass man den Rhythmus seines Arbei­tens selbst wählt und beispielsweise morgens nach einem Ein­kauf mit der Arbeit beginnt. Oder man nutzt eine private Bahn­reise, um einen Status-Quo-Bericht fertigzustellen und nimmt spät abends noch einen Termin mit einem Kunden aus China via Skype wahr. Mitarbeitende der neuen Generation möchten wählen können, ob sie den klassischen Achtstundentag absit­zen oder die Gestaltung der Arbeitsabläufe (im Rahmen von be­stimmten Absprachen) selbst in die Hand nehmen. Sie denken pragmatisch und setzen das Ergebnis in den Mittelpunkt. Sol­che Optionen nutzen bereits einige Unternehmen, um Mitarbei­ter:innen Handlungsfreiräume zu geben und ihre Arbeit mit ihren Verpflichtungen zu Hause besser kombinieren zu können .

3. Flexibilität

Flexibilität im Rahmen des New Work hängt auch mit Work-Life­ Blending zusammen und bedeutet, dass an verschiedene Situa­tionen angepasstes und somit effektives Arbeiten realisierbar ist. Hierzu muss gewährleistet sein, dass flexible Arbeitszeiten, -orte und -plätze angeboten werden, beispielsweise in Form von Homeoffice, Telearbeit und Kinderbetreuung. Auch Job-Rota­tion, wie der Wechsel von Arbeitsaufgaben, gehört zur Flexibili­tät im Zusammenhang mit New Work. Flexibilität gilt als Erfolgsfaktor für Unternehmen und wird immer wichtiger, da sie für mehr Freiheit sorgt und auch Mitarbeitern in stressigen oder besonderen Lebensabschnitten ermöglicht, weiterhin zum Un­ternehmenserfolg beizutragen.

4. Flache Hierarchien

Eine moderne Führungskultur mit flachen Hierarchien  ermög­licht Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Zielsetzung ist es u. a., dass Entscheidungswege kürzer und das psychologische Em­powerment bei jedem einzelnen Mitarbeitenden gestärkt werden. Auf diese Weise werden Mitarbeiter:innen motiviert, selbst Verantwor­tung zu übernehmen und eigenverantwortlich zu handeln. Grundvoraussetzung ist hier, dass Führungskräfte ihren Mitar­beitenden vertrauen und ihnen Handlungsspielräume für eigen­ständige Entscheidungen einräumen,  um letztendlich  durch das Vermeiden von überflüssigen Feedbackschleifen ein höhe­res Entscheidungs- und Handlungstempo und dadurch wieder­ um eine höhere Wettbewerbsfähigkeit zu erzielen. Dies geht mit einer Fehler- und Wertschätzungskultur einher, die in vielen Un­ternehmen noch keine Selbstverständlichkeit darstellt. Hinzu kommt, dass insbesondere in Unternehmen mit einer stark star­ren Hierarchie der Eindruck entstehen kann, dass (v. a. autori­täre) Führungskräfte die Innovationskultur hemmen. Sie ver­mitteln ihren Mitarbeitenden das Gefühl, dass die Äußerung von innovativen Ideen und Verbesserungsvorschlägen nicht er­wünscht ist. Aus diesen Gründen werden in Zeiten  des  New Work häufig eher flache Hierarchien präferiert.

5. Individualität

Mitarbeiter:innen in New Work-Zeiten möchten nicht (mehr) Ziele vor­gesetzt bekommen, sondern in die Strategieentwicklung ein­gebunden werden und selbstständig Leistungs- und Lernziele festlegen können. Auf diese Weise wird die Sinnhaftigkeit der Aufgabe gewährleistet und das Individuum in den Mittelpunkt gestellt. Mithilfe von optimalen Rahmenbedingungen kann dazu beigetragen werden, dass das ganze Potenzial jedes Einzelnen vollkommen entfaltet wird.

6. (Lern-)Agilität

Proaktiv statt reaktiv: Strukturen und Prozesse werden im Kon­text der New Work-Bewegung so gestaltet, dass diese schnell und mit wenig Aufwand auf unvorhersehbare Ereignisse oder neue Anforderungen angepasst werden können. Als eine wich­tige Eigenschaft einer Führungskraft im Rahmen des New Work bezeichnet Lernagilität die Kompetenz, aus Erfahrungen zu lernen und dieses Wissen in neuen Situationen anzuwenden. Wie eine Studie 1  zeigte, verfügen Führungskräfte in der Autobran­che über wenig Lernagilität, während die höchste Lernagilität bisher bei Führungskräften der Pharmaindustrie festgestellt wurde.

(1) M. Kersting, Agilitätsbetrachtung deutscher Führungskräfte 2018  –  Branchenver­gleich, Korn Ferry lnt. GmbH, Frankfurt)

7. Gesundheitsmanagement

Um die Leistungsfähigkeit im Job zu sichern und körperliche so­wie psychische Beschwerden zu vermeiden, sollte die Gesund­heitsvorsorge zur strategischen Führungsaufgabe und insgesamt höher priorisiert werden. Das digitale Gesundheitsmanagement steckt zwar im Kontext des New Work in Kinderschuhen, jedoch muss das Gesundheitsmanagement ebenso einige Verände­rungen hinnehmen, um mit einer stets wandelnden Gesellschaft mitzuhalten. Das digitale Gesundheitsmanagement bietet eine einfachere und schnellere Gesundheitskommunikation sowie Möglichkeiten zur digitalen Auswertung von gesundheitsfördern­den Maßnahmen.

8. Talentismus

Der „War for Talents” nimmt weltweit immer mehr  zu. Hierbei geht es jedoch nicht mehr nur darum, lediglich Kandidaten mit standardisierten Qualifikationen zu gewinnen, sondern darüber hinaus auch vielfältige interessante Talente zu rekrutieren. Da­her ist es erforderlich, das Personalmanagement sowie das „Employer Branding” entsprechend weiterzuentwickeln und den Bedingungen des New Work anzupassen.

9. Diversity

Diversity, sprich die Vielfalt hinsichtlich Alter, Geschlecht, Her­kunft, kulturellem Hintergrund etc. an und gilt in Zeiten des New Work zunehmend als wichtiger Erfolgsfaktor für Unterneh­men hinsichtlich der Innovationsfähigkeit sowie Resilienz. Die­ser bedeutende Aspekt des New Work sollte in Unternehmen zukünftig stärker fokussiert werden.

10. Open Innovation

Open Innovation bezeichnet die zunehmende Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistung durch den Kunden, Partner oder Zulieferer, sodass die Grenzen in der Innovationsentwick­lung fallen und die Produktentwicklung nicht nur in Forschungs-­ und Entwicklungslabors stattfindet. Das Ziel der Open lnnovation ist es, die Innovationsqualität und -bandbreite zu steigern und Kunden stärker zu binden. Wenn man die Umsetzung eini­ger der genannten Faktoren betrachtet, wird schnell deutlich, dass nur wenige Unternehmen die angesprochenen Modelle und Konzepte des New Work bereits umsetzen. Eine Großzahl der Unternehmen haben hier noch einen langen Weg vor sich .

II. ,,Der (Traum-)Job muss Spaß machen!”

In einer Studie der Online-Jobplattform StepStone betonen Fach- und Führungskräfte in New Work Zeiten, dass sie insbe­sondere einen Job anstreben, der ihnen Spaß macht. Doch was genau bedeutet das und welche Voraussetzungen müssen hier­zu erfüllt sein? Haben Mitarbeiter:innen Spaß bei der Arbeit, sobald die zuvor genannten Merkmale des New Work erfüllt sind? Bei­spielsweise dann, wenn sie kommen und gehen können, wie es ihnen gefällt? Oder dass man bunte Büromöbel hat? Oder dass es kein mittleres Management mehr gibt? Eher weniger. Im Wesentlichen geht es darum, dass man ein gewisses Maß an Freiheit, eine Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit sowie ein sozia­les Umfeld genießt, in dem man sich wohlfühlt und unterstützt wird.

Freiheit:
Generation Y und Z wünschen sich die Freiheit, neue Ideen auszuprobieren und ihre Verantwortungsbereiche und Auf­gaben auf ihre Art und Weise zu erledigen. Ebenso möchten sie selbstständig Entscheidungen treffen. Auf Grund dieser Ein­stellung ist es für Unternehmen möglich, Prozesse zu beschleu­nigen und das Entscheidungstempo zu erhöhen , um auch im Wettbewerb bestehen zu können. Daher sollten Arbeitgeber ih­re Mitarbeiter im Wunsch nach mehr Selbstständigkeit und Ver­antwortung unterstützen und ihre innovativen Ideen fördern.

Sinnhaftigkeit:
Heutzutage ist die Arbeit mehr als ein Broterwerb: Wir arbei­ten nicht mehr, um zu leben und wir leben nicht mehr, um zu arbeiten. Es geht um die Symbiose von Leben und Arbeiten, wobei das Ergebnis in den Mittelpunkt gestellt wird . Es wird als wichtig erachtet, eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben und einen positiven Effekt für den Unternehmenserfolg zu erzie­len. Auf diese Weise kann New Work den Sinn und die Beru­fung jedes Einzelnen im Leben und in der Verwirklichung des eigenen Jobs stärken.

Teamgefühl:
Ein bedeutsamer Faktor für die Jobzufriedenheit ist das har­monische Miteinander zwischen Kollegen. Menschen legen großen Wert darauf, sich am Arbeitsplatz mit Kollegen zu ver­stehen und mit Menschen zusammenzuarbeiten, die sie mö­gen. Hierzu gehört ebenfalls, dass man auf Unterstützung der Kollegen zählen kann und sich bei ihnen nicht verstellen muss. Die Unternehmensleitung und Führungskräfte fungie­ren auch hier als Vorbilder und können das Miteinander aktiv prägen und gestalten. Das Gemeinschaftsgefühl kann durch Firmenfeiern oder andere gemeinsame Aktivitäten gefördert werden.

III. New Work – ein problemfreies und allgemeingültiges Konzept?

Kritiker der New Work Bewegung betonen, dass das Konzept häufig schöner klingt als es tatsächlich ist. New Work ist selbst­verständlich nicht für jeden und jede Branche geeignet und auch keine Allzwecklösung um bestehende Probleme in der Ar­beitswelt zu lösen. Während beispielsweise Berater:innen ihre Ar­beitszeiten und -orte flexibel gestalten können, bietet sich die Möglichkeit für Lehrer:innen oder Erzieher:innen eher weniger an.

Zudem sollte man durch die zunehmende Fokussierung auf die Mitarbeitenden nicht die Bedürfnisse des Markts, der Kunden und der Unternehmen aus den Augen verlieren, um weiterhin auch konkurrenzfähig zu bleiben.

Des Weiteren bringt das Konzept des Work-Life-Blending die große Gefahr mit sich, dass Mitarbeitende nur selten von  ihrer Arbeit komplett abschalten können und somit langfristig durch Überarbeitung unter vermehrtem Stress leiden. Hinzu kommt, dass durch die oben beschriebene Vermischung der Grenzen unbezahlte Überstunden anfallen und die Mitarbeitenden sich hier­ durch ausgebeutet fühlen können.

Flache Hierarchien haben zwar ihre Vorteile, jedoch ist dann in Konfliktfällen nicht eindeutig geklärt, wer letztendlich für diese verantwortlich ist und die Konsequenzen zu tragen hat. Zudem fungieren Führungskräfte immer noch insbesondere bei Berufs­einsteigern als Ansprechpersonen, die sie motivieren und bera­ten und somit Orientierung schaffen sollen.

Mitarbeitende möchten in ihrer Arbeitsweise frei sein und  mög­lichst selbstbestimmt handeln. Doch die Arbeitsweise kann nur erfolgreich sein, wenn beispielsweise Ziele transparent ge­macht und notwendige Strukturen sowie Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es bleibt weiterhin die Aufgabe der Füh­rungskraft, die Unternehmensziele und deren Bedeutung offen und verständlich zu kommunizieren .

Wie vermutlich erwartet, bringt der Megatrend New Work doch das ein oder andere Problem mit sich und ist in der Umsetzung entsprechend nicht ganz so einfach. Das Konzept sollte nicht nur einfach dazu genutzt werden, den Arbeitsplatz schöner und flexibler zu gestalten, sondern anhand der Steigerung der Zu­friedenheit der Mitarbeiter:innen die Wirtschaftlichkeit und Konkur­renzfähigkeit eines Unternehmens am Markt steigern. Mit Berücksichtigung der Bedürfnisse der Mitarbeitenden nach Freiheit, Sinn und Teamgefühl ist es auf diese Weise möglich, diese zu Bestleistungen zu motivieren und darüber hinaus auch langfris­tig zu binden.


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