Autor: Wolfgang Nett

In der Praxis wird immer wieder festgestellt,  dass  viele der neu eingestellten Mitarbeiter innerhalb der ersten zwei Jahre wieder kündigen. Neben den hohen materiellen Kosten (Neu-Suche und -Auswahl etc.) führt dies auch zu Unruhe, Unzufriedenheit und möglicherweise zwischenmenschlichen Störungen. „Nicht Einhalten von Vereinbarungen“ oder „nicht erfüllte Erwartungen“ werden häufig genannt, wenn nach kurzer Zeit Mitarbeiter das Unternehmen wieder verlassen. Oft wird auch „zu hohe Arbeitsbelastung“ angeführt, wenn Mitarbeiter dem Unternehmen den Rücken kehren. Wenn man den Gründen und Motiven des frühen Verlassens auf den Grund geht, zeigt sich häufig, dass eine fehlende, mangelhafte oder unstrukturierte Einarbeitung der wirkliche Grund für das schnelle „Gehen“ ist.

I. Worin liegen die Gründe für das schnelle Ausscheiden?

Wenn der Arbeitsvertrag unterschrieben ist, werden neue Mitarbeiter oftmals sich selbst überlassen und damit dem „Schicksal“ preisgegeben. Selbst am ersten Arbeitstag verhalten sich manche Unternehmen und Führungskräfte so, als wenn nichts Besonderes stattfindet. Dabei stellen gerade der Einstieg – von der Vertragsunterzeichnung über den ersten Arbeitstag – und die erste Zeit in einem neuen Unternehmen für einen neuen Mitarbeiter* eine schwierige Situation dar – und das in sozialer, psychologischer, ggf. fachlicher, aber auf jeden Fall in persönlicher Hinsicht.

Eine strukturierte und systematische Einarbeitung ist die wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich neue Mitarbeiter schnell mit dem Unternehmen, der Kultur und den Aufgaben identifizieren. Nur so kann die Basis für eine langfristige persönliche Bindung an das Unternehmen hergestellt werden. Das Unternehmen, die Führungskräfte und die Kollegen können sehr viel dazu beitragen, dass der Einstieg für den „Neuen“ gelingt und „angenehm“ gestaltet werden kann.

II. Worauf ist zu  achten?

1. Einstellungsgespräch

Schon im Einstellungsgespräch sollte der neue Mitarbeiter ehrlich und umfassend über das Unternehmen, die Strategie, die Kultur, die Aufgaben, die Probleme und Entwicklungsmöglichkeiten informiert werden. Und das im Sinne einer fairen Partnerschaft. Offenheit und Transparenz bilden hier das Fundament für eine u. U. berufslebenslange Zusammenarbeit.

Damit wird sichergestellt, dass der Mitarbeiter nicht mit unrealistischen Erwartungen beim neuen Unternehmen anfängt. Alles positiv darzustellen, suggeriert falsche Erwartungen, die nicht zuletzt in Unzufriedenheit, Enttäuschung und Frustration enden können.

2. Vor dem ersten Arbeitstag

Der oft lange Zeitraum zwischen Vertragsunterzeichnung und Erstarbeitstag sollte gut genutzt werden. Ideal ist es, Arbeitsplatzbesichtigungen, Gespräche mit zukünftigen Kollegen und Führungskräften oder ggf. „Schnuppertage“ zu organisieren. Hinzu kommen der regelmäßige (alle 14 Tage) Kontakt, per Telefon, Mail oder mit Hilfe der sozialen Medien. Auch können aktuelle Broschüren, Firmen- und Dienstleistungsinformationen zugesandt werden.

Es gibt Unternehmen, die bei der Wohnungssuche unterstützen oder weitere Dienstleistungen beim Umzug anbieten. Hintergrund bei allem ist die frühzeitige emotionale Bindung an den neuen Arbeitgeber und damit der Abbau von möglichen Unsicherheiten oder Hemmungen. Aber gerade hier ist Sensibilität und Fingerspitzengefühl gefragt; es gilt, niemandem etwas „aufzudrängen“. Gut gemeint und schlecht gemacht liegen hier sicherlich nahe beieinander, aber besser etwas tun als gar nichts zu unternehmen.

3. Ab dem ersten Arbeitstag

Die Führungskräfte sollten darauf achten, dass die zukünftigen Arbeitskollegen über den neuen Mitarbeiter informiert sind und dass es auch ihre Aufgabe ist, den neuen Kollegen zu integrieren. Regelmäßige und intensive Gespräche vom ersten Tag an mit dem Vorgesetzten sind ein Muss in der Zusammenarbeit. Empfohlen wird in der ersten Woche täglich ein Gespräch zu führen und ab der zweiten Woche jeden zweiten oder dritten Tag. Der neue Mitarbeiter sollte über alle wesentlichen Unternehmens- und Abteilungsspezifika informiert werden, gerade auch über die Themen und Inhalte, die nicht in Broschüren oder sonstigen Aufgabenstellungen und Arbeitsanweisungen enthalten sind. Es ist bedeutsam, die im Unternehmen geltenden ungeschriebenen Gesetze und Regeln kennenzulernen. Dies erleichtert den Umgang miteinander.

Vertrauen und Offenheit ergeben sich gerade aus den Informationen, die für jemand „Neues“ nicht so einfach greifbar und erklärbar sind. Dies sind z. B. Informationen über Urlaubspläne, Zuständigkeiten und die vielen kleinen Mosaiksteine, aus denen sich der neue Mitarbeiter sein eigenes „Bild“ fertigt.

Ein vorbereiteter Arbeitsplatz und ein erster Rundgang durch die Abteilung sollten selbstverständlich sein, damit auch die Kollegen den „Neuen“ kennenlernen können. Dazu gehört auch eine kleine Ansprache seitens des Vorgesetzten und eine Vorstellung des „Neuen“ und der Kollegen, damit verhindert wird, dass man sich durch Zufall in den nächsten Wochen begegnet oder nicht begegnet.

Eine erste überschaubare und sinnvolle Aufgabe zeigt dem neuen Mitarbeiter darüber hinaus, dass man ihn erwartet, ihn braucht und er eine sinnvolle Ergänzung zum Team ist. Wie häufig ist zu hören, dass man „ins kalte Wasser geworfen wurde“ oder dass man sich als „Neuer“ vorkam wie das bekannte „fünfte Rad am Wagen“.

Am ersten Tag soll der „Neue“ bereits Informationen über das soziale Umfeld erhalten, in dem er tätig sein wird; weitere Informationen betreffen z. B. die Räumlichkeiten, Arbeitsmittel, betriebliche Einrichtungen etc.

Hier ist die direkte Führungskraft aufgefordert, Präsenz zu zeigen und dieses „Willkommen“ nicht an einen Mitarbeiter zu delegieren.

4. Im laufenden Arbeitsverhältnis

Elementar ist, dass der Vorgesetzte regelmäßig Gespräche mit dem neuen Mitarbeiter führt, um an dessen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Eindrücke während dieser ersten Phase der Zusammenarbeit teilhaben zu können. Dabei erweist es sich oft als problematisch, wenn der Vorgesetzte dem neuen Mitarbeiter sagt, „wenn etwas ist, kommen Sie bitte auf mich zu“. Integration ist Führungsaufgabe und damit von der Führungskraft aktiv zu gestalten; vom Vorgesetzten müssen die Impulse zum kommunikativen Austausch kommen, es darf keine reine „Bringschuld“ durch den Mitarbeiter sein.

So können einerseits Missverständnisse und Unstimmigkeiten thematisiert und ausgeräumt werden. Hier kommt es wesentlich darauf an, den neuen Mitarbeiter ernst zu nehmen, seine Wahrnehmungen, Eindrücke oder Wünsche nicht herunterzuspielen oder zu bagatellisieren. Andererseits erhält auch die Führungskraft wichtige Informationen, Anregungen oder Ideen von einem noch nicht „betriebsblinden“ Mitarbeiter. Der neue Blick von „außen“ kann hier von großer Bedeutung sein: Und zwar was Abläufe, Prozesse und Vorgehensweisen betrifft, aber genauso auch Themen aus dem Miteinander in Form von Stimmungen und Tendenzen.

Einige Unternehmen haben sehr gute Erfahrungen mit einem festen Ansprechpartner aus dem Kollegenkreis gemacht, der als „Pate“ die Integration in das neue Umfeld fördert. Aber Vorsicht: die direkte Führungskraft darf sich durch diesen nicht „ersetzen“ lassen.

Aus Erfahrung heraus hat die Einarbeitung einen starken Einfluss auf die spätere Leistungsmotivation und Zufriedenheit des neuen Mitarbeiters. Um eine gewisse Sicherheit darin zu erhalten, was bei der Integration neuer Mitarbeiter notwendig oder wünschenswert ist, sollte man sich selber als Führungskraft fragen, was einem selber helfen würde, sich zu integrieren; aber auch hier sollten nicht die eigenen Erwartungen das „Maß aller Dinge sein“. Empfehlenswert ist es, die Mitarbeiter einmal zu fragen, die in den zurückliegenden Jahren neu in das Unternehmen oder Team gekommen sind: was ihnen geholfen hat, sich zu integrieren, aber auch was sie gestört hat oder was sie sich gewünscht hätten.

III. Psychologischer Vertrag“

„Psychologischer Vertrag“ als Begriff ist geeignet, die Beziehung zu erfassen, die entscheidend dafür ist, inwieweit der neue Mitarbeiter sein Engagement weiterentwickeln kann und loyal dem Unternehmen gegenüber auftritt. Diese Beziehung definiert, in welchem Maße die Erwartungen des Mitarbeiters gegenüber dem Unternehmen und seine Bereitschaft, sich mit seinen Leistungen einzubringen, mit den Erwartungen des Unternehmens übereinstimmen. Meistens wird dieser Vertrag nur einseitig in den „Köpfen“ der beteiligten Personen hinterlegt, es besteht aber auch die Möglichkeit diesen in bilateraler Form auszusprechen, als gemeinsame Vereinbarung. So werden gegenseitige Erwartungen und eventuelle Missverständnisse angesprochen und geklärt.

IV. Einarbeitungsplan

Ein Einarbeitungsplan, wie es für Auszubildende und Trainees üblich ist, ist auch bei neuen Mitarbeitern in den ersten Tagen und Wochen eine große Hilfe. Er hilft die Zeit und Aufgaben sinnvoll zu strukturieren und die wesentlichsten Informationen und Tipps bereitzustellen. Idealerweise erstellt jedes Team einen eigenen Plan. Wichtig ist, neben den fachlichen Aspekten auch die sozialen Aspekte zu berücksichtigen. Wenn der Einarbeitungsplan im Team erstellt wird, dann kann jeder Einzelne seinen Anregungen und seinen Wissensschatz mit einbringen. Schließlich wurde jeder auch einmal eingearbeitet und hat dabei seine ganz eigenen Erfahrungen gemacht.

V. Erfolgskontrollen durchführen

Jeder Mitarbeiter, der eine neue Stelle annimmt, macht das i. d. R. mit der Absicht und dem festen Willen, sein Bestes zu geben. Für die Führungskraft bedeutet dies, das Engagement des Mitarbeiters in die richtigen Bahnen zu lenken. Schon frühzeitig während der Einarbeitungszeit gibt es Erfolgskontrollen, was sowohl für den Mitarbeiter als auch für den Vorgesetzten wichtig ist. Erfolgskontrollen ergänzen das Formulieren von Leistungserwartungen oder das Vereinbaren von Zielen. Auch der neue Mitarbeiter hat den unbedingten Anspruch darauf, dass der Vorgesetzte ihm sagt, was er leistungsmäßig von ihm erwartet. Diese Ziele müssen so beschaffen sein, dass ihre Erreichung den „Neuen“ weder unter- noch überfordert. Dazu gehört auch die regelmäßige Rückmeldung im Sinne von Anerkennung und Kritik. Die Führungskraft sollte darüber hinaus dauernde Gesprächsbereitschaft signalisieren.

VI. Fazit

Einarbeitung ist das A und O. Wenn Sie sich Zeit für die Einarbeitung Ihres neuen Mitarbeiters nehmen, dann profitieren Sie langfristig von einem Mitarbeiter, der in der Lage ist, eigenständig hochwertige Arbeitsergebnisse abzuliefern. Der neue Mitarbeiter fühlt sich in Ihrem Unternehmen wohl, handelt engagiert und motiviert und trägt zu einem guten Arbeitsklima bei. Die Einarbeitung muss man als Investition in die Zukunft verstehen, die letztlich allen Beteiligten nützt.

Artikel erschienen in der Zeitschrift für Betrieb und Personal, Stollfuß Medien

*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.  


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