Personalentscheidungen werden in öffentlichen Verwaltungen oft in einem starren und langsamen Verfahren getroffen. Kommunen müssen lernen, bei der Stellenbesetzung wesentlich flexibler zu agieren. Andernfalls gehen die besten Bewerbenden verloren. Ein Interview mit Personalberater Edmund Mastiaux.
Herr Mastiaux, wird die Personalentwicklung für die Kommunen zu einer zentralen Zukunftsaufgabe?
Mastiaux: Definitiv. Ohne Personalentwicklung sieht es in den kommenden Jahren für sämtliche Arbeitgeber düster aus. Strategisch klug implementierte Personalentwicklungsprozesse sichern den Fach- und Führungskräftebestand eines Arbeitgebers, fördern fachliche, methodische sowie soziale und persönliche Mitarbeiterkompetenzen, verbessern die Wirtschaftlichkeit und Effizienz eines Unternehmens und richten den Arbeitgeber auf zukünftige Herausforderungen aus. Darüber hinaus ist ernst genommene Personalentwicklung ein Aushängeschild für Arbeitgeberattraktivität.
Was erwarten Bewerbende denn heute von einem attraktiven Arbeitgeber?
Mastiaux: Die Generation Y, also die Geburtsjahrgänge 1980 bis 1993, die derzeit auf den Arbeitsmarkt strömt, legt viel Wert auf Selbstverwirklichung, Sinnstiftung und Abwechslung. Dies sollte sich in ihrem Arbeitsplatz widerspiegeln – mit Projektarbeit, Flexibilität, Teamorientierung und einem modernen Einsatz von digitalen Medien. Die Generation Z, die Geburtsjahrgänge 1994 bis 2010, sind gänzlich mit digitalen Technologien aufgewachsen. Dies birgt Potenzial in Sachen Vernetzung, Agilität und Flexibilität, aber auch Herausforderungen. Studien haben festgestellt, dass sich die Generation Z wieder mehr Abgrenzung zwischen Berufs- und Privatleben und in diesem Rahmen festere Arbeitsstrukturen wünscht. Es bleibt also festzuhalten, dass es nicht den einen richtigen Umgang mit Bewerberbedürfnissen gibt. Vielmehr ist es wichtig, auf unterschiedliche Bedürfnisse von Generationen eingehen zu können, den stetigen Wertewandel in dieser Hinsicht zu beobachten und frühzeitig zu reagieren. Starre Strukturen, Prozesse und Berichtswege sind heutzutage fehl am Platz – gerade hier muss sich noch so manche öffentliche Verwaltung bzw. öffentliches Unternehmen umstellen und für die Zukunft öffnen.
Was machen nach Ihrer Erfahrung Verwaltungen und öffentliche Unternehmen bei Personalsuche- und Auswahlverfahren gut? – und was machen sie schlecht?
Mastiaux: Tendenziell stellen wir fest, dass im öffentlichen Dienst sehr viel Wert auf Zuverlässigkeit gelegt wird. Bewerbende werden nicht vorschnell auf den Ablagestapel sortiert, es wird sich meist sorgsam mit jeder Bewerbung auseinandergesetzt und ein großer Fokus auf Fairness und Gleichbehandlung gelegt. Allerdings hapert es sehr häufig an Schnelligkeit und Flexibilität in Auswahlverfahren. Der öffentliche Dienst ist dazu angehalten, sich streng an Rechtsvorschriften und bestimmten Verfahrensabläufen zu orientieren. Das macht die Prozesse oft sehr langsam, starr und wenig ergebnisorientiert, was im heutigen War for Talents definitiv ein großes Problem ist.
Schnelligkeit gilt im Bereich der Privatwirtschaft als Qualitätsmerkmal von Such- und Auswahlprozessen. Wie ist die öffentliche Verwaltung hier aufgestellt?
Mastiaux: Wie beschrieben muss der öffentliche Dienst lernen, wesentlich schneller und flexibler zu agieren und sich von eingefahrenen Prozessen zu lösen. Hier müssen alle umdenken, auch Einzelpersonen und Gremien, die meist umfassend in Personalentscheidungen im öffentlichen Sektor eingebunden sind. Sonst gehen die besten Bewerbenden verloren, die meist unter einer Vielzahl von Stellenangeboten wählen können und demnach nicht mehrere Monate auf eine Auswahlentscheidung warten. Konkret heißt das, Vorstellungsgespräche auch am Wochenende oder abends zu führen oder sich auf digitale Formate wie Videogespräche einzulassen und Personalentscheidungen schlanker und schneller zu treffen.
Was kann ein Personalberater für Verwaltungen und öffentliche Unternehmen tun?
Mastiaux: Der Personalberater agiert als Schnittstelle zwischen öffentlichem Arbeitgeber und dem Bewerbermarkt. Wir schärfen zum einen den Blick für moderne Personalinstrumente in der Personalsuche, -auswahl und -entwicklung und nehmen einen konstruktiven Abgleich zwischen modernen Prozessen und dem Status quo vor. Zum anderen können wir auf Basis unserer Expertise und unserer Arbeitsmarktkenntnis sicherstellen, mit geeigneten Methoden die richtigen Mitarbeitenden zu gewinnen bzw. bestehendes Personal zielgerichtet zu entwickeln. Öffentlichen Arbeitgebern fehlen im Angesicht der Spannbreite ihrer gesellschaftlichen Aufgaben oft auch einfach die Ressourcen, um hochprofessionelle und an wissenschaftlichen Standards gemessene Personalprozesse abzuwickeln. Wir beschäftigen uns mit nichts anderem. Zu unserem Angebot gehört auch ein qualitativ hochwertiges und zielgerichtetes Headhunting. Wir kennen bislang keinen öffentlichen Arbeitgeber, der selbst Headhunting betreiben würde; in der Privatwirtschaft ist Headhunting hingegen ein fest verankertes Mittel, Stellen zu besetzen.
Sie sagen, Verwaltungen und öffentliche Unternehmen müssen sich auf die Arbeitsweise des Experten einlassen, wenn sie mit einem Personalberater zusammenarbeiten. Warum ist das wichtig?
Mastiaux: Wir stellen immer wieder fest, dass in der Zusammenarbeit gerne an gewohnten Ritualen festgehalten wird. Das passt nicht immer zu unserer flexiblen und zügigen, am heutigen Bewerbermarkt orientierten Vorgehensweise. Es ist wichtig, dem Personalberater als Experten zu vertrauen, die eigene Komfortzone ein Stück weit zu verlassen und neuen Vorgehensweisen eine Chance zu geben.
Welche Rolle muss die Kommunalpolitik bei zu treffenden Auswahlentscheidungen von Spitzenführungskräften spielen?
Mastiaux: Die Kommunalpolitik agiert nach bestem Wissen und Gewissen für die jeweilige Verwaltung. Daher sind es auch häufig unsere Politiker, die sich nur schlecht vom Kandidatenideal lösen können und nicht immer bereit sind, abgewogene Kompromisse einzugehen. Hier fehlt meist ein realistischer Blick auf den Bewerbermarkt. Es herrscht die Erwartungshaltung vor, dass ein guter Kandidat sämtliche im Vorfeld in der Theorie festgelegten Wünsche und Anforderungen zu erfüllen hat und eine Abweichung, eventuell auch zugunsten anderweitiger Stärken, nur wenig toleriert wird. Unsere Aufgabe als Personalberater ist es dann, zu vermitteln und einen Abgleich zwischen Wunsch und Wirklichkeit vorzunehmen.
Interview: Wolfram Markus
Erschienen in: der gemeinderat
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