„Jeder ist seines Glückes Schmied“ – so appelliert eine altbekannte Lebensweisheit. Dies gilt nicht nur im Privatleben, sondern lässt sich mindestens genauso gut auf den beruflichen Kontext übertragen. In der heutigen Arbeitswelt liegen beruflicher Erfolg und das Erreichen eigener Karriereziele stärker denn je in der eigenen Hand. Aktuelle Entwicklungen am Arbeitsmarkt, etwa die Zunahme des Dienstleistungssektors, neugeschaffene Arbeitsstellen und flachere Hierarchien, haben heutzutage vielfältigere Karriereverläufe zur Folge. Dies zeigt sich etwa in einem häufigen Wechsel in unterschiedliche Positionen innerhalb und außerhalb des eigenen Arbeitsplatzes. Solche sogenannten „grenzenlosen Karrieren“ 1) forcieren, dass Berufstätige ihre eigenen beruflichen Laufbahnen flexibel modifizieren und selbstverantwortlich gestalten können – und dies auch müssen.

Für Arbeitgeber bedeutet diese Entwicklung umgekehrt, dass ein verstärkter Aufwand betrieben werden muss, um gute Mitarbeiter zu finden und diese auch langfristig an das Unternehmen zu binden. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es daher insbesondere für Personaler von zentraler Bedeutung, an qualifizierte Kandidaten zu gelangen. In Zusammenhang mit diesen aktuellen Herausforderungen der heutigen Arbeitswelt ist ein Begriff mittlerweile in aller Munde: Vitamin B. Persönliche soziale Kontakte gelten bei vielen als eine Art Wunderwaffe, welche sowohl die Jobsuche als auch Karrieresprünge erleichtern. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) werden in Deutschland rund 40 % der offenen Stellen durch Beziehungen vergeben. Doch wie gelingt erfolgreiches Networking und wie können Beschäftigte und Arbeitgeber davon profitieren?

I. Was verbirgt sich hinter dem Begriff Networking?

Networking meint alle Verhaltensweisen, die dazu dienen, informelle Beziehungen aufzubauen und diese auch aufrecht zu erhalten. Berufliches Networking zielt auf das Kontakteknüpfen mit Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder auch mit Personen anderer Unternehmen ab. Soziale Kontakte innerhalb eines Netzwerks bezeichnet die soziale Netzwerkforschung als Sozialkapital, d. h. eine Ressource, welche einerseits die Vielfalt und Verbundenheit von sozialen Beziehungen umfasst und andererseits die Position betrachtet, welche eine Person innerhalb eines sozialen Netzwerks einnimmt. 2) Bereits das Socializing beim gemeinsamen Mittagessen oder die Teilnahme an firmeninternen Aktivitäten und Feiern sind gängige Beispiele für Networking am Arbeitsplatz. Aber auch externe öffentliche Veranstaltungen bieten optimale Gelegenheiten zum Netzwerken.

Für Unternehmen hat sich vorzugsweise das Mentoring als eine oft eingesetzte und effektive Methode bewährt, um den Vorteil eines sozialen Netzwerks gezielt zu nutzen. Hierbei vermittelt der Mentor seinem Mentee nicht nur sein Erfahrungs- und Fachwissen, sondern ermöglicht ihm auch einen Zugang zu eigenen persönlichen Kontakten und arbeitsbezogenen Beziehungen. Die Mentorbeziehung zeichnet sich dabei durch einen Gewinn für beide Seiten aus: Dem Mentee wird der Zugang zu einem karrierefördernden beruflichen Netzwerk erleichtert und das Unternehmen profitiert von einem gut sozialisierten Mitarbeiter. Studien zeigen, dass sich Letzteres durch mehr Commitment und Zufriedenheit der Beschäftigten äußert. 3) All diese Aktivitäten haben gemeinsam, dass durch die Interaktionen nützliche Informationen, oder auch „Insinder-Wissen“, ausgetauscht werden. Mittlerweile herrscht Konsens darüber, dass das Teilen von Wissen einen nicht zu unterschätzenden Nutzen für die eigene Karriere haben kann. Für den Erfolg im Job reichen Fachwissen, Engagement und Disziplin nicht mehr aus. Wer über ein breites persönliches Netzwerk verfügt, hat oft die besseren Chancen am Arbeitsmarkt.

II. Wie gelingt Networking?

Der gezielte Einsatz von Networking, um die eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu steigern, scheint also durchaus eine Fähigkeit zu sein, deren Aneignung sich auszahlt. In der Praxis gilt es, einige nützliche Hinweise für ein gelungenes Networking zu berücksichtigen:

1. Strategisches Vorgehen

Beim Networking kommt es nicht bloß darauf an, willkürlich mit möglichst vielen Personen im Arbeitskontext „in Kontakt“ zu kommen, um sich so ein möglichst großes persönliches Netzwerk mit hoher Diversität aufzubauen. Vielmehr zielt effektives Networking darauf ab, diese Kontakte aktiv für den eigenen Vorteil zu nutzen. Daher sollte beim Networking strategisch vorgegangen werden. Es ist wichtig, sich im Vorfeld bewusst zu machen, welche (Karriere-)Ziele durch den Aufbau des Netzwerks erreicht werden sollen und wer bei der Erreichung dieser Ziele helfen kann. Hier gilt: Qualität vor Quantität. Alle Bemühungen um das gekonnte Networking können nur ihre Wirkung entfalten, wenn die Kontakte eine Relevanz für die eigenen Ziele haben. Der Aufbau eines beruflichen Netzwerks braucht Zeit. Meist werden Erfolge für die eigenen Interessen erst nach einem längeren Zeitraum ersichtlich. Die Kunst liegt dann darin, die wichtigen Kontakte herauszufiltern und diese langfristig aufrechtzuerhalten.

2. Die richtigen Orte für Networking

Daran schließt sich die Frage an, wie Personen letztendlich an diese Kontakte gelangen. Je nach persönlicher Zielsetzung ist das Networking mit internen versus externen Kontakten unterschiedlich effektiv. Wird beispielsweise eine zeitnahe Beförderung beim aktuellen Arbeitgeber angestrebt, so ist die Vernetzung mit internen Kontakten, wie etwa dem Vorgesetzten oder einflussreichen Mitarbeitern höherer Hierachieebenen, die richtige Methode. Dazu bietet sich ein geplanter gemeinsamer Lunch oder interne Firmenevents an, um ungezwungen ins Gespräch über eigene Vorstellungen und Entwicklungsperspektiven zu kommen. Wird hingegen auf alternative Karrierechancen abgezielt, sollte der Austausch mit Kontakten aus anderen Unternehmen als potenzielle Karriereförderer gesucht werden. Für Unternehmer, die von aktuellen Informationen oder relevanten Neuigkeiten aus der eigenen Branche profitieren wollen, sind externe Veranstaltungen, wie etwa Messen oder Kongresse, eine optimale Gelegenheit, um sich auf den aktuellen Stand zu bringen und schnellstmöglich auf Veränderungen und die damit einhergehenden Chancen in der eigenen Branche reagieren zu können.

3. Einsatz von Soft Skills

Beim Networking ist besonderes Geschick gefragt. Vor diesem Hintergrund lassen sich die eigenen Networking-Kompetenzen, etwa durch Trainings, gezielt erweitern. Wer über die nötigen Soft Skills verfügt und diese in sozialen Interaktionen effektiv einzusetzen versteht, profitiert langfristig von einem einflussreichen Netzwerk. Dazu gehören v. a. Sozial- und Kommunikationskompetenzen, wie etwa die Fähigkeit zum Beziehungsmanagement durch Aufgeschlossenheit und Smalltalking. Als eine besondere Form sozialer Kompetenzen im Arbeitskontext haben die von Ferris und Kollegen 4) entwickelten politischen Fertigkeiten, welche aus den vier Facetten Sozialer Scharfsinn, Interpersoneller Einfluss, dargestellte Aufrichtigkeit und Netzwerkfähigkeit bestehen, zunehmend an Bedeutung gewonnen. Wer über ausgeprägte politische Fertigkeiten verfügt, dem gelingt es, soziale Situationen angemessen zu interpretieren und das eigene Verhalten so anzupassen, dass erwünschte Verhaltensweisen beim Interaktionspartner hervorgerufen werden. Die umfassende Forschung von Prof. Dr. Gerhard Blickle an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zu diesem Thema, konnte zeigen, dass politische Fertigkeiten sowohl für den Berufserfolg als auch für den Aufbau einer positiven Reputation mitverantwortlich sind.

4. Pflege des Netzwerks

In der heutigen kompetitiven Arbeitswelt zählt nicht nur, wie viele und welche Kontakte das berufliche Netzwerk umfasst. Mindestens genauso wertvoll scheint es zu sein, wie nachhaltig diese Beziehungen gestaltet werden. Persönliche Kontakte aufzubauen und diese für eigene Zwecke zu nutzen ist die eine Seite Medaille; ein weiterer zentraler Bestandteil dabei ist jedoch auch diese Allianzen langfristig zu pflegen. Kleine Aufmerksamkeiten, wie kurze – jedoch regelmäßige – Anrufe, ein Geburtstagsgruß per SMS oder eine Einladung zu speziellen Events, lassen den Kontakt nochmals aufleben und lösen zusätzlich positive Stimmung aus. Diese erleichtert die Bereitschaft zur Unterstützung und die Weitergabe von Informationen beim Gegenüber. Hierbei ist wichtig, das nötige Feingefühl an den Tag zu legen und zu erspüren, wann der geeignete Zeitpunkt für eine Bitte ist. Diesbezüglich sollte eine ausgewogene Balance zwischen Geben und Neben im Vordergrund stehen. Wer nur fordert aber nicht selbst auch Unterstützung signalisiert, wird sein Netzwerk nicht lange aufrechterhalten können.

III. Vitamin B online nutzen

Gerade im Zeitalter der Digitalisierung und die damit verbundene Schnelllebigkeit der Arbeitswelt haben sich online Karrierenetzwerke als effiziente Netzwerkstrategie durchgesetzt. Insbesondere die aktuelle Situation in Zusammenhang mit dem Corona-Virus macht Maßnahmen notwendig, Networking auch ohne persönlichen beziehungsweise physischen Kontakt zu ermöglichen. Die Nutzung von Social Media-Kanälen wie XING und LinkedIn haben sich derweil zu einem Muss für jeden Berufstätigen entwickelt. Im Gegensatz zu Plattformen, wie beispielsweise Facebook oder Instagram, geht es hierbei nicht um den Austausch mit privaten Kontakten oder das Verbreiten persönlicher Inhalte und Fotos. Online Karrierenetzwerke bieten die Möglichkeit für einen gezielten Austausch von relevanten beruflichen Informationen und Entwicklungen. Hierbei steht die Vernetzung mit einem breiten Pool beruflicher Kontakte, relevanter Gruppen oder Unternehmensprofile im Vordergrund. Zudem erstellen spezielle Algorithmen auf Basis des eigenen Netzwerk Vorschläge für interessante Kontakte, wodurch das eigene Netzwerk durch einen Klick stetig erweitert werden kann.

Das Liken, Kommentieren und Teilen von Beiträgen bietet heutzutage somit optimale Gelegenheiten zum digitalen Networking. Ein weiterer wesentlicher Nutzen von XING und Co. liegt ohne Frage in der Funktion als Jobbörse. Indem der Nutzer seinen detaillierten Werdegang sowie seine Qualifikationen auf seinem Profil zugänglich macht und sich mit einer Vielzahl relevanter Kontakte vernetzt, steigt die Wahrscheinlichkeit auf dem Arbeitsmarkt aufzufallen. Dies gilt ebenso gut für Unternehmen, welche interessante und ansprechend gestaltete Unternehmensprofile i. S. d. Akquise nutzen und so aktuelle Jobangebote adäquat präsentieren können. Auch für Personaler ist diese Form der Eigenwerbung relevant, da durch die leichte Zugänglichkeit karriererelevanter Informationen passende Profile hinsichtlich der Anforderungsprofile offener Stellen leicht gefunden – und kontaktiert – werden können.

IV. Fazit

Es existieren viele gute Gründe, warum jemand Networking betreiben sollte: Bessere Chancen am Arbeitsmarkt, vielfältigere Möglichkeiten der Einflussnahme, Selbstbewusstsein und – im besten Fall – Spaß. In Anbetracht der Herausforderungen der modernen Arbeitswelt und des ständigen Wettbewerbsdrucks sind in dieser Zeit Selbstvermarktung und Eigeninitiative gefragt. Nur wer fleißig Kontakte knüpft und langfristig pflegt, bleibt bezüglich Neuigkeiten und Veränderungen am Arbeitsmarkt auf dem Laufenden und kann von Unterstützung oder Gefälligkeiten profitieren. Inzwischen ist Networking als trainierbare soziale Fähigkeit eine zentrale Kompetenz, die Berufserfolg vorhersagen kann. Viele Unternehmen nutzen bereits die Coaching-Angebote von Personal- und Managementberatungen, um die Networking-Kompetenzen ihrer Mitarbeiter sowie der Führungskräfte gezielt zu entwickeln. Denn nicht nur der Einzelne profitiert von einem breiten Netzwerk, auch das Unternehmen gewinnt durch gut vernetzte Mitarbeiter.

Ob digital oder real – Networking funktioniert heutzutage „so ganz nebenbei“. Die Wirkung ist jedoch beachtlich und es ist davon auszugehen, dass die Bedeutung von Vitamin B für den beruflichen Erfolg in Zukunft einen noch größeren Stellenwert einnehmen wird als bisher.

  1. Arthur, M. B. (1994). The boundaryless career: A new perspective for organizational inquiry. Journal of organizational behavior, 15, 295-306.
  2. Lin, N. (2000). Inequality in social capital. Contemporary sociology, 29, 785-795.
  3. Kowtha, N. R. (2018). Organizational socialization of newcomers: the role of profes- sional socialization. International Journal of Training and Development, 22, 87-106.
  4. Ferris, G. R., Treadway, D. C., Kolodinsky, R. W., Hochwarter, W. A., Kacmar, C. J., Douglas, C. & Frink, D. D. (2005). Development and validation of the political skill inventory. Journal of management, 31, 126-152.

Wie Sie soziale Netzwerke für Ihr Recruiting nutzen können, finden Sie hier: https://www.zfm-bonn.de//blog/mit-der-zeit-gehen-nutzen-sie-businessplattformen-zur-gewinnung-von-fachkraeften/

Artikel erschienen in der Zeitschrift für Betrieb und Personal, Stollfuß Medien


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