Fehler passieren überall dort, wo gearbeitet wird. Sie unterlaufen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in allen Positionen. Ja, auch Führungskräften. Das ist natürlich unangenehm – vor allem hier in Deutschland, wo wir Fehler noch immer mit Scheitern assoziieren.
Langsam allerdings dringt es ins allgemeine Bewusstsein, dass ein offener Umgang mit Fehlern die negativen Auswirkungen minimieren kann. Start-ups sind dem Öffentlichen Dienst in diesem Punkt meist einen Schritt voraus: Wo es keine gewachsenen Strukturen gibt, kann man leichter neue Vorgehensweisen ausprobieren.
Fehler bestrafen ist kontraproduktiv
Ist den Mitarbeitenden einer Verwaltung aus Erfahrung bewusst, dass Fehler geahndet werden, hat dieses Wissen mehrere negative Auswirkungen: Niemand möchte zugeben, einen Fehler gemacht zu haben. Oft haben Fehler aber schwerwiegendere Auswirkungen, je länger sie unbemerkt bleiben. Daraus resultiert, dass auch ihre Behebung immer teurer wird.
Speziell Führungskräfte agieren aus Angst vor einem Fehler immer wieder zurückhaltend:
- Sie verzögern Entscheidungen, was den Zeitplan durcheinanderbringen kann.
- Sie schrecken davor zurück, Aufgaben an bestimmte Mitarbeitende zu delegieren.
- Sie neigen dazu, fehlgehende Projekte verbissen weiter durchzuführen, statt sie abzubrechen und nach einer Neubewertung der Situation einen besser durchdachten Versuch zu wagen.
Alle diese Verhaltensweisen sind nachvollziehbar, weil sie dazu beitragen, eine unangenehme Situation zu vermeiden. Gleichzeitig schaden sie aber der Dienststelle, verschlechtern das Arbeitsklima und treiben die Kosten in die Höhe.
Die Vorteile der offenen Fehlerkultur
In einem Umfeld, in dem Mitarbeitende Fehler ohne Angst vor Strafe oder Stigma zugeben können, minimieren sich die negativen Auswirkungen: Niemand bemüht sich um Vertuschung. Fehler werden schnell genannt und behoben, sodass die Folgen meist im Rahmen bleiben. Führungskräfte sind in einem solchen Umfeld agiler; sie treffen leichter Entscheidungen und übernehmen Verantwortung.
Über die raschere Behebung der Fehler und den reibungsloseren Arbeitsablauf hinaus ermöglicht ein offener Umgang mit Fehlern, aus ihnen zu lernen. Allerdings passiert das nicht von selbst: Wir lernen nicht aus Erfahrung, sondern aus Reflexion. Entsprechend ist die Aufarbeitung wichtig, am besten in einem eigenen Meeting:
- Was ist passiert?
- Was sind die Gründe dafür?
- Was war das Ziel, was die tatsächliche Auswirkung?
- Was wäre das bessere Vorgehen gewesen?
- Wäre unter den gegebenen Rahmenbedingungen überhaupt ein besseres Vorgehen möglich gewesen?
Bei der Beantwortung dieser Fragen ist es wichtig, die Komplexität der Abläufe zu berücksichtigen und nicht einzelne Sündenböcke zu identifizieren. Führungskräfte dürfen sich in dieser Situation nicht von ihrer Verantwortung freisprechen: Nur, wenn sie Fehleinschätzungen, vorschnelle Entscheidungen oder mangelnde Kommunikation zugeben können, sind sie der Belegschaft ein gutes Vorbild.
Tipp: Eine derartige Nachbesprechung sollte auch dann stattfinden, wenn die Aufgabe nur zufällig gutgegangen ist. Auch Beinahe-Katastrophen müssen beleuchtet werden, damit das Team in Zukunft gewappnet ist.
Fehlerkultur muss von oben kommen bzw. von oben gelebt werden
Auch die mutigsten Führungskräfte, die sich mit den Anforderungen an die New Leadership bestens auskennen und ihre Vorbildfunktion erfüllen möchten, brauchen Rückhalt von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Wer sich vor die ganze Abteilung stellt und einen Fehler zugibt, muss wissen, dass er sich damit beruflich nicht das eigene Grab schaufelt. Es ist Aufgabe der obersten Führungsetage, ein Umfeld zu schaffen, in dem Fehler angstfrei kommuniziert und aufgearbeitet werden können.
In manchen Fällen ist das eine Aufgabe für das Change Management: Gewachsene Strukturen lassen sich nicht mit einem Rundschreiben aufbrechen. Ein Kulturwandel erfordert Zeit und Aufwand, Leitlinien für Führungskräfte und Schulungen für die Belegschaft. Er ist ausschließlich möglich, wenn die oberste Führungsetage ihn voll unterstützt.
Wo der Öffentliche Dienst von der Wirtschaft lernen kann
Ein Beispiel für eine fruchtbare Fehlerkultur stammt aus Japan. Der international agierende Konzern Toyota hat seit vielen Jahren einen eigenen Umgang mit Fehlern entwickelt: Die Angestellten wissen, dass es inakzeptabel ist, Fehler zu vertuschen. Hier werden nicht Missgeschicke und Verfehlungen bestraft, sondern das Verschweigen von Fehlern. In der Folge werden diese schnell entdeckt und kommuniziert, sodass sich meist das Schlimmste verhindern lässt.
Es ist im Öffentlichen Dienst nicht notwendig, eine „Kultur des erfolgreichen Scheiterns“ zu etablieren: Gerade, wenn der Arbeitsalltag weder Forschung noch Entwicklung beinhaltet, entstehen aus den Fehlern selten Innovationen, die einen Sprung nach vorn bedeuten.
Nein, die Benefits der gesunden Fehlerkultur für den Öffentlichen Dienst sind weniger auffällig: Die Anspannung unter den Mitarbeitenden sinkt, die Führungskräfte erledigen ihre Aufgaben selbstbewusster, die Stimmung in den Abteilungen ist besser. Häufig kommen die Mitarbeitenden motivierter zur Arbeit, und die Kosten für die Fehlerbeseitigung sinken. Ein Umdenken lohnt sich also in verschiedener Hinsicht.
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