Autorin: Julia Schwick

„Mitarbeitende kommen wegen der Reputation, bleiben wegen der Aufgabe und gehen wegen ihrer Führungskraft.“ – diesen Spruch hat wohl jeder schon einmal gehört, der sich mit Personalmanagement auseinandersetzt. In Zeiten des Fachkräftemangels kosten Absentismus und Fluktuation aufgrund schlechter Führung nicht nur Geld, sondern bergen für Unternehmen zudem das Risiko, aufgrund (zahlreicher) vakanter Stellen nicht mehr arbeits- und wettbewerbsfähig zu sein.
Doch was führt dazu, dass Mitarbeitende wegen ihrer Vorgesetzten kündigen? Wodurch zeichnet sich eine negative, destruktive, toxische Führung aus?

Die psychologische Forschung zu destruktiver Führung entwickelte sich erst in den letzten 30 Jahren und gehört somit zu den vergleichsweise neueren Forschungsfeldern der Psychologie. Lange Zeit wurde Führung nämlich als vorwiegend positives Phänomen verstanden und untersucht. Verschiedene Vorfälle aus Wirtschaft und Politik (z. B. der Bilanzbetrug des Energiekonzerns Enron in den USA oder auch der VW-Abgasskandal) verursachten jedoch ein gesteigertes Interesse an den Ursachen und Folgen von destruktivem Führungsverhalten. Seit 2014 verleiht die International Trade Union Confederation (ITUC) den “worst boss award”, der in seinem ersten Jahr an Jeff Bezos, den CEO von Amazon ging – auch ein Zeichen dafür, dass das Erkennen und Verhindern toxischer Führung gesellschaftlich in den Blick genommen wird.

Im Vergleich zu positiver, effektiver Führung kann destruktive Führung als negative Einflussnahme auf Mitarbeitende beschrieben werden, die dem Unternehmenserfolg langfristig betrachtet schadet. Dabei ist es zentral, dass die destruktiven Verhaltensweisen wiederholt auftreten, einmalige Fehltritte sind nicht gemeint.
Folgende Beispiele sind typisch für destruktives Führungsverhalten[1]:

Erweiterte theoretische Ansätze zu destruktiver Führung beziehen auch Verhaltensweisen, die sich gegen die Organisation und nicht zwangsläufig gegen die Mitarbeitenden richten, mit ein. Hierzu zählen beispielsweise Diebstahl, Korruption oder Sabotage der Organisationsziele.

Die negativen Folgen solcher destruktiven Verhaltensweisen sind zahlreich und gut erforscht[1][2]: So führt destruktive Führung zu einer verminderten Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation der Mitarbeitenden. Mitarbeitende, die destruktive Führung erfahren, berichten zudem über eine geringere Identifikation mit der Organisation bzw. ein geringeres organisationales Commitment. Sehr deutliche Zusammenhänge finden sich auch zwischen destruktiver Führung und kontraproduktivem Arbeitsverhalten, wie aggressivem Verhalten gegenüber Kollegen, Diebstahl, Beschädigung von Arbeitsmaterial oder Absentismus sowie gegen die Normen der Organisation verstoßendes Verhalten. Doch destruktive Führung hat auch individuelle Konsequenzen. So verspüren Mitarbeitende, die destruktive Führung erleben, eher negative Gefühlszustände wie Stress, emotionale Erschöpfung, Depressivität und Angstzustände, während ihr Wohlbefinden abnimmt. Langfristig schadet destruktive Führung also auch der psychischen Gesundheit der Mitarbeitenden.

All diese negativen Konsequenzen führen dazu, dass Mitarbeitende, wenn sie destruktive Führung erfahren, eine erhöhte Wechselabsicht zeigen und insbesondere dann kündigen, wenn sie gute Alternativmöglichkeiten haben – was im heutigen Arbeitsmarkt fast durchweg der Fall ist.

Was können Organisationen dagegen tun? Zunächst ist der sogenannte Trickle-down-Effekt zu beachten. Dieser beschreibt in Bezug auf destruktive Führung ein Kaskadenverhalten, wonach Führungskräfte, die selbst destruktives Führungsverhalten durch ihre Vorgesetzten erfahren, verstärkt dazu neigen, ihre eigenen Mitarbeitenden ebenfalls destruktiv zu führen[4]. Auch wenn Führungskräfte selbst Ungerechtigkeit erfahren, beispielsweise durch eine respektlose oder unfaire Behandlung durch ihre eigenen Vorgesetzten oder durch als unfair empfundene Entscheidungsprozesse, zeigen sie eher ein feindseliges Verhalten ihren Mitarbeitenden gegenüber[5][6]. Häufig existiert also eine „toxische“ Unternehmenskultur, die destruktives Führungsverhalten befördert.

Hilfreich kann an dieser Stelle die Etablierung von Führungsleitlinien oder auch eines gemeinsamen Führungsleitbildes sein. Zum einen können Mitarbeitende das Verhalten ihrer Führungskraft an diesen Leitlinien messen und ggf. intervenieren bzw. die nächsthöheren Vorgesetzten oder Gremien zu Rate ziehen. Zum anderen ist ein Führungsleitbild eine Richtschnur für Führungskräfte, an der sie sich orientieren und ihr Führungsverhalten reflektieren können – beispielsweise auch im Rahmen von Workshops und kollegialer Beratung. Führungsfeedbacks oder Mitarbeiterbefragungen sind ein geeignetes Instrument, um destruktives Führungsverhalten zu erkennen und als Organisation daran zu arbeiten.

Der Entstehung einer toxischen Führungskultur kann zudem durch unterschiedliche Institutionen und Bedingungen entgegengewirkt werden. Relevant sind  organisationsinterne Kontrollsysteme, wie beispielsweise ein Aufsichtsrat, Betriebs- oder Personalrat sowie die Gleichstellungsbeauftragten und weitere Mitarbeitervertretungen, die eine uneingeschränkte Autorität bzw. zu große Handlungsfreiheit von Führungskräften verhindern können.

Daneben neigen einige Führungskräfte aufgrund ihrer zugrundeliegenden Persönlichkeitseigenschaften eher zu destruktivem Führungsverhalten als andere. Empirische Nachweise gibt es beispielsweise für einen Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Dunklen Triade (Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie) und destruktivem Führungsverhalten.[7][8][9] Zudem tendieren Führungskräfte, die Dominanz und Kontrolle als legitime Führungsinstrumente verstehen (im Sinne eines autoritären Rollenverständnisses), stärker zu destruktivem Führungsverhalten[10].

Hier kann die Eignungsdiagnostik und Personalauswahl ansetzen, indem bei der Besetzung von Führungspositionen die Persönlichkeit noch stärker in den Fokus gerückt wird – geeignete und validierte Persönlichkeitsfragebögen, aber auch Interviews zum Thema Führung können entsprechende Tendenzen und Neigungen aufdecken. Zudem sollte auch das jeweilige Führungsleitbild einer Organisation im Auswahlprozess Beachtung finden und mit potenziellen Kandidaten für Führungspositionen reflektiert werden. Nicht zuletzt zeigen Studien, dass Führungskräfte eher zu destruktivem Führungsverhalten neigen, wenn sie mit besonders anspruchsvollen Arbeitssituationen konfrontiert sind, ihre Ziele als schwer erreichbar empfinden oder ein erhöhtes Stresslevel aufweisen.[11][12] Daher sollte auch die Belastungssituation der Führungskräfte im Auge behalten und ggf. Maßnahmen zur Entlastung angestoßen werden.

Quellen:
[1] May, D., Schilling, J. & Schyns, B. (2016). Destruktive Führung erkennen und verhindern. In J. Felfe & R. van Dick (Hrsg.), Handbuch Mitarbeiterführung (S. 265-277). Berlin: Springer.
[2] Schyns, B. & Schilling, J. (2013). How bad are the effects of bad leaders? A meta-analysis of destructive leadership and its outcomes. The Leadership Quarterly, 24, 138- 158.
[3] Zhang, Y. & Liao, Z. (2015). Consequences of abusive supervision: A meta-analytic re- view. Asia Pacific Journal of Management, 32, 959-987.
[4] Mawritz, M. B., Mayer, D. M., Hoobler, J. M., Wayne, S. J. & Marinova, S. V. (2012). A trickle-down model of abusive supervision. Personnel Psychology, 65, 325-357.
[5] Aryee, S., Chen, Z. X., Sun, L.-Y. & Debrah, Y. A. (2007). Antecedents and outcomes of abusive supervision: Test of a trickle-down model. Journal of Applied Psychology, 92, 191-201.
[6] Tepper, B. J., Duffy, M. K., Henle, C. A. & Lambert, L. S. (2006). Procedural injustice, victim precipitation, and abusive supervision. Personnel Psychology 59, 101-123.
[7] Kiazad, K., Restubog, S. L., Zagenczyk, T. J., Kiewitz, C. & Tang, R. L. (2010). In pursuit of power: The role of authoritarian leadership in the relationship between supervisors’ machiavellianism and subordinates’ perceptions of abusive supervisory behavior. Journal of Research in Personality, 44, 512-519.
[8] Waldman D. A., Wang D., Hannah S. T., Owens B. P. & Balthazard P.A. (2018). Psychological and neurological predictors of abusive supervision. Personnel Psychology, 71, 399-421.
[9] Wisse, B. & Sleebos, E. (2016). When the dark ones gain power: Perceived position power strengthens the effect of supervisor machiavellianism on abusive supervision in work teams. Personality and Individual Differences, 99, 122-126.
[10] Aryee, S., Chen, Z. X., Sun, L.-Y. & Debrah, Y. A. (2007). Antecedents and outcomes of abusive supervision: Test of a trickle-down model. Journal of Applied Psychology, 92, 191-201.
[11] Burton, J. P., Hoobler, J. M. & Scheuer, M. L. (2012). Supervisor workplace stress and abusive supervision: The buffering effect of exercise. Journal of Business and Psychology, 27, 271-279.
[12] Mawritz, M. B., Folger, R. & Latham, G. P (2014). Supervisors ́ exceedingly difficult goals and abusive supervision: The mediating effects of hindrance stress, anger, and anxiety. Journal of Organizational Behavior, 35, 358-372.


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