Besteht ein hoher Cultural Fit zwischen Behörde oder Unternehmen und einer Person, die sich bewirbt, bedeutet das, dass die Zusammenarbeit gut funktionieren kann: Die Werte stimmen überein und die Person wird sich wahrscheinlich im Team sehr wohlfühlen. Mehr und mehr gewinnen Tests und Fragen an Bedeutung, mit denen sich die Güte dieses Cultural Fits ermitteln lässt. Wie das funktioniert und in welchem Umfang das sinnvoll ist, lesen Sie hier.
Was genau ist der Cultural Fit?
In Ihrer Behörde oder Ihrem Unternehmen gibt es bestimmte Arbeitsweisen, Ziele, Kernthemen – also eine Kultur. Menschen, die sich bei Ihnen bewerben, haben ebenfalls bestimmte Arbeitsweisen, Werte, Verhaltensweisen und Ziele, die sie für sinnvoll halten. Je mehr Übereinstimmungen es zwischen der Arbeitsstelle und der jeweiligen Person gibt, desto besser ist der Cultural Fit.
Chancen und Risiken durch den Cultural Fit
Legen Sie der Messung des Cultural Fits einen hohen Wert bei, kann das mehrere Vorteile mit sich bringen. Allerdings sollten Sie nie die Augen davor verschließen, dass es auch Nachteile gibt – nur so können Sie sie vermeiden.
Vorteile
Positive Auswirkungen der Eignungsdiagnostik hinsichtlich des Cultural Fits können die folgenden sein:
- Die neuen Mitarbeitenden fühlen sich schnell wohl, das Onboarding geht rasch vonstatten.
- Es kommt selten zu Fehlbesetzungen von Stellen mit Personen, die nach einigen Monaten wieder ausscheiden. Die Fluktuation im Unternehmen sinkt.
- Die übereinstimmenden Werte und Ziele führen zu einem hohen Maß an Arbeitsengagement.
- Das Arbeitsumfeld ist meist harmonisch, wenn die Mitarbeitenden alle ähnliche Arbeitseinstellungen und Werte haben. Es kommt selten zu Konflikten und die Teams arbeiten gut zusammen.
- Die Etablierung von Richtlinien und Praktiken zugunsten der Beschäftigten und des Unternehmens wird vereinfacht.
- Eine positive Unternehmenskultur wird gefördert, was einen guten Einfluss auf die Leistung der Arbeitskräfte hat.
Diesen unleugbaren Vorteilen stehen allerdings diverse mögliche Nachteile gegenüber.
Nachteile
Zu den möglichen Nachteilen oder Herausforderungen durch den Cutural Fit zählen die folgenden Punkte:
- Die Beurteilung durch Menschen ist subjektiv und kann auf Vorurteilen basieren. Dieser Punkt lässt sich nicht einfach durch die Nutzung von KI vermeiden – auch KI wird trainiert und Sie können nicht ausschließen, dass dieses Training vorurteilsbesetzt war.
- Unter Umständen erschaffen Sie ein allzu homogenes Arbeitsumfeld: Die Mitarbeitenden bringen wenig verschiedene Überzeugungen, Erfahrungen und Perspektiven mit. Das kann die Vielfalt einschränken und Innovationen verhindern. Ein völliger Verlust von Reibungsfläche kann zum Verlust der Kreativität und zu Stillstand führen.
- Je mehr Mitarbeitende das Gefühl haben, dass auf den Cultural Fit viel Wert gelegt wird, desto mehr können sie sich dem Bild, das sie für passend halten, angleichen. Das kann bewusst oder unbewusst geschehen. Möglich ist auch die Konfliktvermeidung: Diskussionen, die zu Verbesserungen führen könnten, werden um der Harmonie willen nicht geführt.
- Ein starker Fokus auf den Cultural Fit im Bewerbungsprozess kann potenzielle Mitarbeitende abschrecken, die fachlich sehr gut zur Stelle passen würden. Vielleicht sind sie sogar in Werten und Ansichten gar nicht so weit entfernt – aber doch weit genug, um Bedenken zu entwickeln und sich anderweitig umzusehen.
Zudem müssen Sie immer bedenken, dass es gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Chancengleichheit gibt. Achten Sie darauf, dass Ihre Einstellungsprozesse immer im Einklang mit den Antidiskriminierungsgesetzen stehen und rundherum fair sind.
Diese Optionen gibt haben Sie – Mensch oder Maschine
Möchten Sie bei Bewerberinnen und Bewerbern den Cultural Fit messen, können Sie sich für unterschiedliche Vorgehensweisen entscheiden. Die meisten Personalerinnen und Personaler stellen entsprechende Fragen im Bewerbungsgespräch, andere setzen auf KI-gesteuerte Tests auf der Website.
Fragen im Bewerbungsgespräch
Im Bewerbungsgespräch können Sie verschiedene Fragen stellen, um herauszufinden, wie die Person gegenüber tickt und was sie antreibt. Möglich sind zum Beispiel die folgenden:
- Wie würden Sie sich in dieser Situation verhalten? (Hier schildern Sie eine Situation, die während des Arbeitsalltags bei Ihnen immer wieder vorkommen kann.)
- Was macht ein Arbeitsumfeld für Sie besonders angenehm? Gibt es positive Beispiele aus Ihrer Vergangenheit?
- Wie wichtig ist Ihnen die Work-Life-Balance / die Gleitzeitregelung / die Möglichkeit für Homeoffice?
- Was für Situationen von guter Teamarbeit gab es schon bei früheren Beschäftigungen und was war Ihr Anteil daran? (Diese Frage ist nur wichtig, wenn das Arbeiten im Team stattfinden wird – es gibt Menschen, die allein deutlich bessere Leistung erbringen und die von der Betonung der Teamarbeit abgeschreckt werden.)
- Wie wichtig ist Ihnen nachhaltiges Wirtschaften? (Oder ein anderer Werteschwerpunkt, den Ihre Behörde bzw. Ihr Unternehmen setzt.)
Auch Fragen zu Hobbys können Ihnen einen gewissen Einblick geben. Durch diese Fragen im Bewerbungsgespräch erhalten Sie ein recht gutes Bild der Bewerberin oder des Bewerbers und können sich vorstellen, wie gut die Person ins Team passen würde.
Tipp: Haben Sie bei den Bewerbungsgesprächen immer eine Person aus dem Team als Beobachter:in dabei, in dem die Stelle besetzt werden soll! Diese kann meist besser als Sie selbst sagen, ob die Chemie stimmt.
KI-Tests
Es gibt verschiedene Anbieter, bei denen Sie KI-basierte Tests zum Ermitteln des Cultural Fits bekommen. Diese erfragen meist weder Alter noch Geschlecht noch Herkunft, weil diese Dinge keine Rolle spielen sollen. Es geht allein um:
- die Bewertung verschiedener Situationen
- Aussagen über Verhaltensweisen
- Dinge, die die Person als wichtig erachtet
Schwierig ist, dass keine Nachfragen möglich sind, wenn die Interessierten nicht verstehen, was gemeint ist. Außerdem können Menschen im Gespräch anhand der Reaktionen Verschiedenes ablesen, was der KI verborgen bleibt. Skalenantworten können zudem auch von der Stimmung abhängig sein.
Vorteilhaft ist hier, dass Interessierte diesen Test bereits vor der Bewerbung machen und in ihrer Absicht bestärkt werden können, wenn das Ergebnis gut ist. Nachteilig ist die Kehrseite genau dieser Medaille: Macht eine vielversprechende Person mit passenden Fähigkeiten diesen Test und bekommt ein nicht besonders gutes Ergebnis, sieht sie vielleicht von der Bewerbung ab: Das Tool kann also auch abschreckend wirken.
Die Anbieter dieser Tests stellen genau dieses frühzeitige Aussieben als Vorteil dar. Ob das allerdings zu Zeiten des aktuellen Fachkräftemangels tatsächlich ein positiver Punkt ist, ist diskutabel. Es kann durchaus sein, dass potenzielle neue Mitarbeitende sich in Ansichten und Gewohnheiten etwas von den aktuellen Angestellten unterscheiden, sich aber trotzdem im Bewerbungsgespräch bei Ihnen wohlfühlen. Diese Chance können Sie sich mit KI-gesteuerten Tests verderben.
Ob ein solcher Test für Sie hilfreich ist oder nicht, hängt vielleicht auch von der Situation Ihrer Behörde oder Ihres Unternehmens ab: Bekommen Sie zahlreiche unpassende Bewerbungen, kann der Test dabei helfen, das Arbeitsaufkommen für die Personalabteilung zu reduzieren. Versuchen Sie hingegen seit geraumer Zeit vergeblich eine Stelle zu besetzen, schauen Sie sich die Interessierten vielleicht doch besser direkt selbst an.
Cultural Fit ist wichtig, aber nicht das einzige Kriterium
Insgesamt lässt sich sagen, dass eine gewisse Übereinstimmung zwischen Werten und Ansichten bei Arbeitgebern und Mitarbeitenden sich durchaus positiv auswirkt. Allerdings ist das ein Puzzleteil eines insgesamt vielschichtigen Bildes: Die Fähigkeiten und Erfahrungen müssen ebenfalls zu der Stelle passen. Zudem ist eine hundertprozentige Übereinstimmung nicht wichtig und kann sogar kontraproduktiv wirken, weil dadurch keine neuen Ideen an den Arbeitsplatz gelangen.
Fragen Sie nach Vorgehensweisen und Ansichten, um abzuklopfen, inwiefern die Bewerberinnen und Bewerber ins Team passen werden. Geraten Sie ruhig auch ein bisschen ins informelle Plaudern – so bekommen Sie ein gutes Bild von der Persönlichkeit Ihres Gegenübers und können ein Bauchgefühl entwickeln.
Übertreiben Sie es aber nicht! Es handelt sich um eine Arbeitsstelle, nicht mehr und nicht weniger. Weder müssen die Teammitglieder beste Freunde werden noch einem bestimmten Bild entsprechen. Es reicht, wenn sie im Team gut und gern zusammenarbeiten.
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