Manchmal wissen Sie einfach besser als Ihre direkte Vorgesetzte bzw. Ihr Vorgesetzter, was in einer bestimmten Situation bei der Arbeit passieren muss. Sie kennen die Person aber gut genug, um zu wissen, dass sie unbeeinflusst eine falsche Entscheidung treffen wird. Die Lösung für dieses Problem lautet Cheffing, also die subtile Beeinflussung der oder des Vorgesetzten.
Wann kann Cheffing auftreten?
Denken Sie gerade verwundert, dass Sie in der entsprechenden Situation einfach mit der oder dem Vorgesetzten sprechen würden, dann herzlichen Glückwunsch: Offenbar arbeiten Sie in einem modernen Unternehmen mit eher flachen Hierarchien.
Sind die Hierarchien ausgeprägter, fällt es Angehörigen des höheren Managements oft gar nicht so leicht, auf Vorschläge von Personen einzugehen, die sie als ihre Untergebenen betrachten. Wer hier für Veränderung sorgen möchte, muss etwas subtiler vorgehen. Veränderung kann in vielen Momenten nötig werden:
- Die jeweiligen Vorgesetzten haben wenig Einblick in die Abläufe der Abteilung, die letzten Endes im Arbeitsalltag von den anstehenden Entscheidungen betroffen sein wird.
- Die Führungskräfte kommunizieren schlecht und enthalten den Mitarbeitenden Informationen vor, die ihnen die Arbeit erleichtern und ihr Verständnis für die Ziele vertiefen würden.
- Sie sind unfähig zu delegieren.
- Sie sind sprunghaft und widersprechen sich oft selbst in ihren Anweisungen.
- Sie weisen Defizite auf, was die Organisation betrifft.
- Sie sind cholerisch und gehen schnell an die Decke, wenn etwas nicht gut läuft.
- Sie sind überfordert in ihrem Job.
Mitarbeitende oder Führungskräfte, die von diesen Personen Anweisungen entgegennehmen, können dazu übergehen, subtil auf sie einzuwirken, um das Arbeiten für alle angenehmer und reibungsloser zu gestalten.
Manche Leute nutzen Cheffing auch, um für sich persönlich Vorteile zu erlangen. Meist aber geht es darum, die Situation im Job für alle angenehmer zu gestalten.
Das sind die Risiken beim Cheffing
Möchten Sie Ihre:n Vorgesetzte:n unmerklich “erziehen”, sollten Sie Vorsicht walten lassen: Speziell bei steilen Hierarchien kommt es meist überhaupt nicht gut an, wenn die Person das bemerkt. Manch ein Mensch im Management interpretiert ein solches Vorgehen als mangelnden Respekt. Bedenken Sie immer, dass er Ihnen aus seiner Machtposition Knüppel zwischen die Beine werfen kann, was Ihr Vorankommen auf der Karriereleiter betrifft!
Sind Sie in Ihren Bestrebungen zu offensichtlich, können auch die Kolleginnen und Kollegen Ihr Verhalten mit Argwohn betrachten: Vielleicht hinterfragen sie Ihre Motive (möchten Sie etwa selbst die Position der jeweiligen Führungskraft?), vielleicht verlieren sie aber auch den Respekt vor der Person, die Sie erziehen möchten, sodass es Unruhe im Arbeitsalltag gibt.
Möglicherweise stellen Sie auch irgendwann fest, dass Sie so viel Zeit und Aufwand in das Cheffing gesteckt haben, dass Sie kaum mehr genügend Zeit für Ihre eigentlichen Aufgaben finden.
So kann das Cheffing gelingen
Beim Cheffing ist es wichtig, dass Sie die betreffende Person gut einschätzen können. Studieren Sie daher ihre Gewohnheiten und ihren Tagesablauf bei der Arbeit: Wann ist es meist stressig, wann gibt es ruhigere Phasen, wann Pausen? Achten Sie darauf, vor allem dann mit der oder dem Vorgesetzten zu interagieren, wenn die Situation entspannt und die Laune eher gut ist. Berücksichtigen Sie außerdem die folgenden Punkte:
- Passen Sie sich in der Kommunikation den Vorlieben der Führungskraft an (lieber persönlich oder lieber per Mail?).
- Haben Sie wichtige Daten und Fakten in den Gesprächen immer parat und beweisen Sie sich als korrekt und zuverlässig.
- Geben Sie positives Feedback, wenn etwas gut gelaufen ist (auch Führungskräfte freuen sich über Lob – das kennen Sie ja sicher).
- Hören Sie aufmerksam zu und merken Sie sich die Inhalte der Gespräche, um später darauf Rekurs nehmen zu können.
- Haben Sie sich als kompetent, hilfreich und freundlich erwiesen, können Sie für ein bestimmtes Anliegen einen Termin vereinbaren (das verleiht ihm mehr Gewicht und es wird aufmerksamer behandelt, als wenn Sie es zwischen Tür und Angel anzubringen versuchen).
- Erklären Sie, was Sie auf dem Herzen haben.
- Machen Sie dabei deutlich, inwiefern das Unternehmen oder die Behörde, aber auch Ihre Vorgesetzte bzw. Ihr Vorgesetzter selbst von Ihrem Vorschlag profitieren würden.
- Wenden Sie sich mit Ihren Ideen oder Vorschlägen niemals an das höhere Management, sondern immer nur an die Führungskraft selbst.
Handelt es sich nicht um Entscheidungen, die Sie lenken möchten, sondern um eine der oben genannten negativen Verhaltensweisen, bleiben Sie am Ball – freundlich, aber unbeirrt. Erbitten Sie weitere Informationen, Aufgaben, Feedback, klare Anweisungen. Bleiben Sie hartnäckig, bis die Führungskraft merkt, dass sie Sie nicht wegignorieren kann. Sie werden so zwar ihren Charakter nicht ändern, aber oft zumindest ihre Verhaltensweisen. Die restliche Belegschaft wird es Ihnen wahrscheinlich danken.
Bemerken Sie selbst Cheffing?
Wenn Sie als Führungskraft feststellen, dass jemand von den Mitarbeitenden Sie sanft in eine bestimmte Richtung zu dirigieren versucht, kann es sein, dass Sie selbst Cheffing erfahren. Statt der oder dem Angestellten böse zu sein, sollten Sie überlegen, was dahintersteckt: Gibt es Defizite in Ihrer Führung?
Sie können mehrere Wege einschlagen, um sicherzugehen:
- Ermuntern Sie die Mitarbeitenden in Ihrem Team oder Ihrer Abteilung, Vorschläge zu machen.
- Bitten Sie in den Mitarbeitendengesprächen explizit um Feedback.
- Haben Sie das Gefühl, dass einige Leute sich nicht offen zu sprechen trauen, führen Sie anonymisierte Befragungen durch.
Bedenken Sie immer, dass die Angestellten teils deutlich mehr vom operativen Geschäft mitbekommen als Sie selbst und daher gute Lösungsansätze präsentieren könnten.
Wenn Sie über Ihren Schatten springen und das Cheffing nicht als despektierlich betrachten, können Sie selbst und Ihre ganze Abteilung davon profitieren: Seien Sie offen für Kritik und versuchen Sie, an den genannten Punkten zu arbeiten. Sie werden feststellen, dass die Stimmung sich hebt und die Arbeit reibungsloser verläuft.
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