Es könnten noch viel mehr Frauen in Führungspositionen sein, so Edmund Mastiaux, Inhaber des zfm in Bonn. Doch viele Frauen erkennen gar nicht, welches Potenzial in ihnen steckt. Trotz bester Qualifikation schaffen viele noch nicht einmal den Sprung ins mittlere Management.

„Weibliche Bewerber treten deutlich zurückhaltender auf, als ihre männlichen Konkurrenten“; so Edmund Mastiaux. Dabei sind gerade heute typisch weibliche Stärken wie soziale Kompetenz, Zuhören und Teamfähigkeit besonders gefragt. Der Personalcoach berichtet im Köln-Bonn-Manager über seine Erfahrungen.

KBM: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Menschen zu beraten?

Edmund Mastiaux: Ich habe immer ein Faible für andere Personen gehabt. Was machen die? Man muss neugierig sein, man muss ein Interesse haben am anderen, man darf aber auch nicht zu viele Bilder im Kopf haben. Man muss interessiert daran sein über Fragen zu erfahren, was dem anderen wichtig ist, um auch Stärken, Schwächen, Potenziale der anderen erkennen zu können. Es hat mir immer Spaß gemacht, mich mit anderen Menschen auseinander zu setzen. Gucken, wie die sind, gucken, was denen wichtig ist, was sie wollen und wie man sie dabei unterstützen kann.

KBM: Wie war der erste Klient?

Edmund Mastiaux: Das war ein Mann, ein Abteilungsleiter. Ein guter Mann, bei dem aber klar war, dass er zu weich ist. Er sollte 400 gewerbliche Mitarbeiter führen. Es gab immer das Thema mit Nähe und Distanz. Die Firma hat aber gesagt, wir stellen den ein, wir glauben an den. Ich habe dann den Coaching-Auftrag bekommen mit der Zielsetzung, die Person die ersten sechs Monate zu unterstützen.

KBM: Worin wurde er geschult?

Edmund Mastiaux: Sein Führungsverständnis. Wenn man Mitarbeiter ist, hat man andere Aufgaben, hat man eine andere Rolle, als wenn man eine Führungskraft ist. Darüber sind sich viele gar nicht bewusst – über diesen Rollenwechsel vom Mitarbeiter zur Führungskraft. Das haben wir herausgearbeitet: Wie sehe ich mich als Führungskraft. Was ist mir da wichtig? Welche Erwartungen werden durch andere an mich herangetragen, über Mitarbeiter und Vorgesetzte?
Und dann kamen wir zu dem Punkt: „Was ist Ihnen wichtig? Wie wollen Sie führen?“ Antwort: „Ich will Mitarbeiter einbinden.“
„Ja, was heißt „einbinden“?“ „Was heißt das „mit einbeziehen“?“
So hat er seine Führungsleitlinien entwickelt.
“Ich will vertrauensvoll mit meinen Mitarbeitern zusammen arbeiten.”
Das haben wir dann wieder konkretisiert: „Was heißt das denn, „vertrauensvoll zusammen arbeiten“? Wo liegt da eine Chance, wo liegt da ein Risiko und was muss ich im Endeffekt tun und über welche Instrumente kann ich vertrauensvoll zusammen arbeiten?

KBM: Wenn Sie Frauen coachen, die in eine Führungsposition kommen, ist das genau so oder gibt es da Unterschiede?

Edmund Mastiaux: Von den Themen her ist es teilweise genau so. Auf der anderen Seite ist eine Frau kein Mann. Wenn eine Frau Vorgesetzte von Männern wird, dann ist das ein gravierender Einschnitt für die Frau. Und dann wird stärker beredet: “Wie verhalten sich Männer? Worauf ist eigentlich zu achten, wenn ich mich in einer Männerwelt erfolgreich bewegen will? Wie positioniere ich mich? Wie konfliktstabil bin ich? Das sind ganz konkrete Fragen.

KBM: Was können Sie Frauen an die Hand geben?

Edmund Mastiaux: Das ist schwierig. Sie machen sich teilweise in diesen Situationen nicht bewusst, dass sie Frauen sind und auch als Frau, als weibliche Vorgesetzte erst einmal so von den Männern gesehen werden, die damit teilweise ein Problem haben. Männern fällt es schwer, sich von Frauen etwas sagen zu lassen. Darüber muss man reden und sich ins Bewusstsein rufen.

KBM: Und wie kann man die Frau dann stärken?

Edmund Mastiaux: Sie kann einen Vorgesetztenwechsel in Einzelgesprächen zum Thema machen, auch wenn es männliche Konkurrenten gab. Sie kann auch die Besprechung zum Auftakt nehmen und deutlich machen, worum es ihr geht, wenn sie die Führungsaufgabe übernimmt. Aber im Endeffekt würde ich Frauen immer Mut zusprechen, also Mut im Sinne von ‚Trau Dich’, und ‚Du kannst das genauso!’

KBM: Was kann die Frau falsch machen?

Edmund Mastiaux: Ein Fehler wäre, den Rollenunterschied nicht deutlich zu machen.  Wenn sie vorher Mitarbeiterin war, muss klar sein, dass sie jetzt Vorgesetzte ist und es auch in ihrer Rolle liegt, dass sie bestimmte Erwartungen an Mitarbeiter hat und Leistung fordert. Da sind Frauen häufig zu freundlich und auch teilweise zu vorsichtig. Wenn ein Mann merkt, dass eine Vorgesetzte zu zurückhaltend auftritt, hat sie ganz schnell verloren. Und das muss sie sich gerade am Anfang klar machen. Wenn sie neu in so eine Position hineinkommt, muss sie sich schon vorher bewusst sein: “Wie will ich auftreten? Wie will ich wirken?”

KBM: Das ist ein schmaler Grat, denn Freundlichkeit ist an sich nichts Schlechtes…

Edmund Mastiaux: Wenn ich von anderen Leistung einfordere, muss ich in meiner Kommunikation sehr verbindlich sein. Ich muss gut vorbereitet sein, ich muss von meiner Sprache her klar sein und ich muss auch einfach deutlich machen, was ich in welcher Qualität bis wann erwarte. Da gibt es Frauen, denen das schwer fällt, solche Dinge eindeutig zu kommunizieren.

KBM: Gibt es einen Grund?

Edmund Mastiaux: Das liegt in der Erziehung. Frauen werden immer noch zur Zurückhaltung erzogen. Frauen stapeln tief. Das erlebe ich auch immer wieder in Bewerbungsgesprächen. Frauen treten immer sehr authentisch auf, sie reflektieren sehr stark. Mit Frauen kann ich ernsthafte, sehr gute Bewerbungsgespräche führen. Nur wenn ich einer Frau dann die Frage stelle, wo ihre Stärken liegen, dann sagt sie nicht einfach, “Ich kann das. Ich bin sehr selbstbewusst. Ich habe viel Erfahrung in der Führung eines Teams.”, so wie Männer das machen. Frauen neigen eher dazu, zu relativieren und stellen häufiger ihr Licht unter den Scheffel.

KBM: Trotzdem sind sie damit ja nicht zufrieden…

Edmund Mastiaux: Wir machen u. a. Seminare für Frauen in Führung und da gibt es eine Übung,  die heißt Lobrede. 5 Minuten müssen sie herausstellen, was sie besonders gut können. Das fällt Frauen sehr schwer. Ihnen fällt es schwer, besonders positiv über sich zu reden. Männern haben da weniger Probleme mit. Männer behaupten auch einfach. Ein Mann behauptet immer. Eine Frau macht das nicht. Es mag Ausnahmen geben, ist aber nicht frauentypisch. Frauen relativieren, wenn sie reden und denken viel mehr nach. Männer machen das anders. Ob in Besprechungen oder in Gesprächen. Da muss Frau einfach aufpassen und sich in Teilen auch so verhalten, um gut zurecht zu kommen.

KBM: Reflektieren. Nachdenken. Das sind doch gute Eigenschaften. Warum schaffen es so wenige Frauen in Führungspositionen?

Edmund Mastiaux: Oft werden Personalentscheidungen immer noch von Männern getroffen. Wenn ein Mann die Wahl hat, entscheidet er sich im Regelfall für einen Mann. Es sei denn, es geht um Argumente wie “eine Frau würde uns gut tun.” Weil einfach gesagt wird, dass, wenn eine Frau mit in der Verantwortung ist, ein anderes Klima herrscht, auch unter den Männern. Frauen können im Positiven die Welt verändern. Frauen können auch die Männerwelt im Positiven beeinflussen. Sie können viel für das Betriebsklima tun und eine vernünftige Gesprächskultur einführen. Oder auch ganz andere Perspektiven in Diskussionen einbringen.

KBM: Wie wichtig sind Äußerlichkeiten in der Männerwelt?

Edmund Mastiaux: Auftreten ist immer wichtig und für Frauen in einer Männerwelt absolut wichtig, um von den Männern in ihrer Funktion wahrgenommen und ernst genommen zu werden. Wenn eine Frau sich auffällig schminkt oder einen bunten Schal trägt, kann man sagen, dass das ihr Markenzeichen ist. Es kann aber auch sein, dass das zu viel ist, dass die Wahrnehmung der Männer zu sehr auf das Tuch gelenkt wird oder auf das Make-Up und dann wird die Frau als Frau wahrgenommen und nicht in ihrer Funktion als Führungskraft. Dessen muss sich die Frau bewusst sein und genau abwägen.

KBM: Worauf kommt es noch an?

Edmund Mastiaux: Eine Frau sollte in Männernetzwerke eintreten. Ich stelle immer wieder fest, wieviele Frauennetzwerk es gibt. Ich finde, es macht überhaupt keinen Sinn, wenn Frauen sich nur auf Frauennetzwerke konzentrieren. Ich rate ihnen dann, dies nur als etwas Zusätzliches zu machen. Es wäre aber gut, sich auch in andere Netzwerke einzuklinken. Wenn ich mich als Frau in einer Männerwelt bewege, muss ich mich damit auseinander setzen,  damit ich in meiner Funktion anerkannt werde, als Expertin, als Führungskraft.

KBM: Verkaufen sich Frauen unter Wert?

Edmund Mastiaux: Jedes Bewerbungsgespräch ist ein Verkaufsgespräch. Wie stellt sich jemand dar? Und wenn ich frage: “Worauf sind Sie stolz?”, dann will ich natürlich eine starke Antwort hören, und das muss ich auch vom Ton her hören. Ich will denken: “Da sitzt jemand, der glaubt an das, was er/sie sagt.” Frauen sind zu ehrlich. Sie stellen Dinge in Frage. Sie sagen “Ich muss mal gucken”, wo ein Mann einfach behauptet, ich kann das. Männer greifen zu. Frauen überlegen zu lange, wenn es um Karrierechancen geht. Was muss ich heute tun, damit ich in zwei Jahren den Job bekomme? Da denken Männer strategischer und taktischer als Frauen.

KBM: Kann eine Frau das überwinden oder sitzt das zu tief?

Edmund Mastiaux: Wenn ich mir darüber klar werde, dass das etwas ist, was mich in der beruflichen Entwicklung gehindert hat, dann kann ich daran arbeiten, dann kann ich das auch überwinden.

KBM: Und wie fängt man das an?

Edmund Mastiaux: Wichtig ist, sich über sein Selbstbild klar zu werden. Das funktioniert sehr gut über ein Coaching. Da ermittelt man z. B. Mithilfe von Fragebögen das eigene Verhaltensprofil. Wie sehe ich mich?
Dann gibt es Übungen, bei denen man sich über seine Karriereorientierung klar wird. Bin ich ein unabhängiger Typ oder bin ich sicherheitsorientiert? Wie sehe ich mich?
Dann kann man sich mit dem Coach austauschen, welche Bedeutung diese Punkte für den eigenen Werdegang haben. Was ist förderlich und was ist hinderlich? Dann kann ich nachfragen oder in gezielte Übungen gehen, wo ich als Coach den Spiegel vorhalte.

KBM: Wenn eine Frau so ein Coaching besucht hat, registrieren das die Männer?

Edmund Mastiaux: Wenn sich etwas im Verhalten spürbar ändert, dann kriegt das auch der letzte Mann mit und dann werden die untereinander reden: “Hast Du bemerkt, wie die in  der Besprechung aufgetreten ist.” Oder: “Ich soll das machen und die hat nachgehakt.”

KBM: Fühlen sich die Männer da nicht auf den Schlips getreten?

Edmund Mastiaux: Wenn sie das nicht gekannt haben, ganz bestimmt. Er geht in eine Abwehrreaktion.

KBM: Das muss eine Frau ja wieder überwinden. Wie macht sie das?

Edmund Mastiaux: Das geht nur in Mitarbeitergesprächen und indem sie es genau hinterfragt. “Warum verhalten Sie sich so? Sie wollten mir einen Plan erstellen. Sie haben mich nicht informiert, was ist los? Ich möchte heute mit Ihnen darüber reden.”
Das erfordert viel Kraft von einer Frau – sogar noch mehr, wenn sie es nicht gewohnt ist und das Gespräch mit einem männlichen Mitarbeiter führen muss. Dann heißt es, sich konsequent in dieser Führungsrolle zu verhalten, sonst hat sie verloren.

KBM: Was sind die Stärken der Frauen? Worauf können sie setzen?

Edmund Mastiaux: Auf persönlicher und menschlicher Ebene. Frauen sorgen für eine gute Atmosphäre. Wenn eine Frau einen Raum betritt, ist die Luft anders. Frauen haben eine hohe soziale Kompetenz. Sie sind empathischer als Männer. Sie sind interessierter an anderen, geben sich mehr Mühe, zu zuhören. Sie sind an einem guten Klima interessiert, sie lassen eher ausreden. Eine Frau kriegt in einem Team ganz gut mit, was gut läuft und wo etwas zwischen Mitarbeitern steht. Und als wichtigster Punkt: Frauen können einfach fachlich genauso kompetent sein wie Männer.

KBM: Das sind doch optimale Voraussetzungen. Vielen Dank für das Gespräch.


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