Autorin: Maren Kammerer
Videobasierte Bewerbungsgespräche sind nicht zuletzt wegen der Pandemie in den meisten Rekrutierungskontexten bereits Alltag. Kaum eine Person, die sich in den aktuellen Zeiten bewirbt, hat nicht zumindest in den ersten Recruiting-Schritten ein Gespräch über Skype, Teams, Zoom und Co. geführt. Anders hingegen sieht das mit asynchronen Video-Interviews aus.
Seit einigen Jahren bereits in der Wissenschaft gehyped, sind asynchrone Video-Interviews doch im Alltag noch lange nicht gang und gäbe. Es handelt sich hierbei um zeitversetzte, videobasierte Interviews, die in der Regel zu Beginn des Auswahlprozesses eingesetzt werden. Die Bewerber*innen bekommen mithilfe eines Tools die Fragen des Unternehmens entweder schriftlich oder über kurze Videosequenzen gestellt und nehmen sich anschließend bei der Beantwortung der Frage auf. Die entstandenen Video-Sequenzen werden schließlich an die Recruiter*innen des Unternehmens übersendet. Es entsteht bei asynchronen Video-Interviews also kein direkter Kontakt zwischen Recruiter*in und Bewerber*in.
Dieses Vorgehen bringt einige Vorteile mit sich: zum einen sind sowohl Bewerber*innen als auch Recruiter*innen zeitlich und örtlich unabhängig und können die Bearbeitung zu jedem möglichen Zeitpunkt an jedem möglichen Ort vornehmen. Zum anderen bieten die asynchronen Video-Interviews gleiche Voraussetzungen für alle, also eine höhere Standardisierung. Alle bekommen exakt die gleichen Fragen in der gleichen Tonlage mit der gleichen Mimik und der gleichen Formulierung, was zu einer höheren Fairness des Prozesses führen kann. Außerdem sind die Bewerber*innen so besser vergleichbar für das Unternehmen. Für Unternehmen ist natürlich ein weiterer Vorteil, dass die Recruiter*innen Zeit sparen, indem sie die Fragen nur einmal aufnehmen und nicht ein und dasselbe (Erst-)Bewerbungsgespräch wiederholte Male führen müssen. Außerdem kann das Recruiting-Team besser zusammenarbeiten und sich über die Videos austauschen. Aber auch die Bewerber*innen können von dem Verfahren profitieren: abgesehen davon, dass man das Interview – wie bereits erwähnt – zeitlich und örtlich flexibel durchführen kann, kann es auch, insbesondere für aufgeregte oder introvertierte Kandidat*innen, von Vorteil sein, ein Bewerbungsgespräch von Zuhause aus durchführen und sich auf die Beantwortung der Fragen vorbereiten zu können.
Selbstverständlich gibt es auch Aspekte, die man kritisch betrachten kann. Ganz vorneweg: die mangelnde Interaktion zwischen Unternehmen und Bewerber*innen. Das macht den Prozess nicht nur weniger persönlich, sondern nimmt auch die Möglichkeit des spontanen Austausches oder Feedbacks. Direkte Nachfragen fallen ebenso weg wie der Aufbau einer persönlichen Beziehung. Darüber hinaus kann bei den Bewerber*innen der Eindruck entstehen, dass sie nicht wichtig genug für ein persönliches Gespräch seien. Dadurch kann letzten Endes die Arbeitergebermarke bzw. -attraktivität leiden.
Unser Fazit: Asynchrone Video-Interviews bieten eine Menge Chancen, jedoch müssen sie mit Bedacht eingesetzt werden.
Folgende Tipps können helfen, wenn Sie darüber nachdenken, asynchrone Video-Interviews in den Rekrutierungsprozess einzubeziehen:
- Setzen Sie asynchrone Video-Interviews ergänzend zu und nicht anstelle von synchronen Interviews ein, beispielsweise als Instrument der Vorauswahl.
- Achten Sie auf einen ganzheitlich wertschätzenden Rekrutierungsprozess, sodass potenzielle Kandidat*innen nicht durch das asynchrone Format abgeschreckt werden.
- Eine Unternehmenspräsentation zu Beginn des Interviews oder kurze Video-Clips währenddessen können helfen, den Prozess persönlicher zu gestalten und eine Beziehung aufzubauen.
- Stellen Sie auch den Bewerber*innen gegenüber die Vorteile (Flexibilität, Fairness) heraus und machen Sie gleichzeitig unbedingt deutlich, dass ein persönliches Kennenlernen im weiteren Verlauf Bestandteil sein wird.
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