Erschienen in: innovative Verwaltung, 04/2025
Autorin: Julia Schwick, zfm-Personalberaterin, Wirtschaftspsychologin, M. Sc.
Verwaltungen stehen bei der Personalgewinnung heutzutage nicht nur im Wettbewerb gegeneinander, sondern auch in Konkurrenz zu Unternehmen aus der Privatwirtschaft. Das heißt aber nicht, dass Kommunen gar keine Chance mehr haben.
Diese Checkliste zeigt, wie es mit dem Recruiting klappt.
Der Arbeitskräftemangel ist in vielen Rathäusern zu spüren. Doch die Kommunen sind ihm nicht machtlos ausgeliefert. Sie können bei der Personalgewinnung an einer Vielzahl von Stellschrauben drehen. Um sich auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren, sollten Verwaltungen zehn Tipps befolgen:
1. Alle Kanäle bespielen:
Das Trendwort lautet „Multi-Channel-Recruiting“. Das bedeutet, Stellenanzeigen nicht nur auf einzelnen Kanälen, häufig nur auf der eigenen Website und ein bis zwei kostenlosen Stellenbörsen, zu veröffentlichen, sondern auf eine breite Streuung der Anzeige zu setzen. Hierfür bieten sich neben unterschiedlichen Online-Jobbörsen, Social Media und Karriereplattformen auch Printmedien an – vor allem eine Schaltung in Fachzeitschriften kann sich lohnen. Einige Verwaltungen schaffen mittlerweile sogar Stellen im Bereich Active Sourcing, um Bewerbende direkt, auf Social Media oder über andere Kanäle, anzusprechen.
2. Zielgruppe diversifizieren:
Demografischer Wandel und Fachkräftemangel zeigen, dass es eine Erweiterung der Zielgruppe braucht, die der öffentliche Sektor auf Jobs anspricht. Quereinsteigende sind dabei nur ein Ansatz – ein diverses und inklusives Recruiting kann ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor im Wettbewerb um Talente sein. Nach aktueller Studienlage entwickeln diverse Teams innovativere Ideen und kreativere Problemlösungen. Zudem erhöht es die Akzeptanz von Verwaltungen, wenn sie die vielfältige Zusammensetzung der Bevölkerung widerspiegeln, auch weil dies ein besseres Verständnis für Problemlagen der Bürgerinnen und Bürger schafft.
Abgebaut werden müssen in diesem Zusammenhang bürokratische Hürden, gerade bei der Eingruppierung. Es gilt, die Möglichkeiten des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) auszuschöpfen, um diverse Zielgruppen anzusprechen.
3. Netzwerke aufbauen:
Junge Menschen müssen möglichst früh auf die Tätigkeitsoptionen im öffentlichen Sektor aufmerksam gemacht werden. Dies funktioniert über Informationsveranstaltungen in Schulen und bei Berufsorientierungstagen. Sinnvoll kann es auch sein, Praktikumsplätze schon für Schülerinnen und Schüler anzubieten.
Studierende können über die Ausschreibung von Bachelor- und Masterarbeiten, Werkstudierendentätigkeiten und ein duales Studium angeworben werden. Karrieremessen und Gastvorträge bieten gute Möglichkeiten, Studierende auf die facettenreichen Aufgaben von öffentlichen Verwaltungen hinzuweisen.
4. Karriereseite optimieren:
Die eigene Website ist in der Regel der erste Eindruck, den potenzielle Bewerbende von einer Verwaltung oder einem Unternehmen erhalten. Eine übersichtliche und aktuelle Karriereseite ist daher ein absolutes Muss. Verwaltungen sollten die Relevanz nicht unterschätzen, selbst eine Einsicht in das Team, die Organisationskultur und Karrieremöglichkeiten zu geben – sonst tun es andere auf Bewertungsplattformen wie kununu. Dazu bieten sich insbesondere Erfahrungsberichte von Mitarbeitenden an, gerne auch mit Fotos und Videos. Die Beschäftigten können auch potenzielle Vorbehalte gegenüber dem öffentlichen Dienst, wie Vertrauensverlust, Verrohung der Gesellschaft im Umgang mit Angehörigen des öffentlichen Dienstes und vermeintlich fehlende Aufstiegschancen, adressieren.
Talente erwarten heute überdies die Option, sich online zu bewerben, sowie Kontaktmöglichkeiten für Rückfragen. Verknüpfungen zu Social-Media-Kanälen machen es Bewerbenden noch leichter, in Kontakt zu treten.
5. Auswahlprozess vereinfachen:
Unter „Candidate Experience“ sind alle Erfahrungen zu verstehen, die Talente im Laufe des Bewerbungsverfahrens sammeln. Positive Erfahrungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Bewerbende im Verfahren „am Ball bleiben“, aber auch, dass abgelehnte Bewerbende die Verwaltung oder das Unternehmen in guter Erinnerung behalten. Auch abgelehnte Kandidatinnen und Kandidaten können in positiver Art und Weise Multiplikatoren für die Arbeitgebermarke sein.
Schnelligkeit und Transparenz sind zentrale Erfolgsfaktoren eines zeitgemäßen Auswahlprozesses. In Zeiten von stetig sinkendem Commitment seitens der Bewerbenden bedeutet dies, verlässlich in Kontakt zu bleiben, erreichbar zu sein und Entscheidungen möglichst schnell zu treffen und zu kommunizieren. Das Auswahlverfahren beziehungsweise Bewerbungsinterview ist mittlerweile ein Ausloten für beide Seiten, ob „es passt“. Das heißt, es braucht darin auch Raum für die Fragen der Bewerbenden. Unter dem Stichwort der realistischen Tätigkeitsvorschau erwarten Talente einen aufrichtigen Einblick in die Organisation: Was macht die Tätigkeit attraktiv, was sind aber auch Stolpersteine und wie ist die Vorstellung der Verwaltung zum Umgang damit? Wie wird etwa konkret damit umgegangen, dass immer mehr Mitarbeitende im Sozial- und Jugendamt, Bürger- und Ordnungsamt – um nur ein paar Beispiele zu nennen – Bedrohungen erfahren?
6. Onboarding professionalisieren:
In vielen Verwaltungen ist ein strukturiertes Onboarding noch immer nicht die Regel. Oft genug werden neue Mitarbeitende „ins kalte Wasser geworfen“ und sich selbst überlassen. So geht es besser: Ein voll funktionstüchtiger Arbeitsplatz, eine gut gepflegte Wissensdatenbank, ein klarer Ansprechpartner oder eine zugeordnete Mentorin sowie regelmäßiges Feedback sollten Standards sein. Auch die Chance, von neuen Mitarbeitenden aktiv Feedback einzuholen, sollte nicht vergeben werden. Neue Köpfe haben meist einen frischen und unbeeinflussten Blick auf die Organisation, Strukturen und Prozesse. Vergeht bis zum Eintrittstermin viel Zeit, bietet es sich an, Mitarbeitende schon vor dem ersten Arbeitstag in Aktivitäten wie Teamevents und Veranstaltungen einzubinden.
7. Karriere individualisieren:
Karriere bedeutet 2025 nicht mehr nur Führung und Management. Stattdessen gilt es, sowohl Führungs- als auch Fachkarrieren zu ermöglichen. Nachwuchskräfte erwarten eine klare Entwicklungsperspektive. Dem können Verwaltungen durch eine gezielte Personalentwicklung begegnen.
Führungskarrieren können durch den Aufbau regelmäßiger Führungsnachwuchsprogramme unterstützt werden. Hierbei bieten sich im Vorfeld Potenzialanalysen an, um den Talenten ein ehrliches Feedback in Bezug auf ihr Führungspotenzial zu geben. Daraus lassen sich zudem konkrete Maßnahmen ableiten, um die Personen in ihrem Potenzial weiterzuentwickeln. Bei Fachkarrieren können die Erweiterung des Aufgabenbereiches, Job Rotation sowie die Übertragung fachlicher Verantwortung für Produkte, Verfahren, Prozesse oder Projekte gute Ansatzpunkte für die Personalentwicklung sein.
8. Führungskultur modernisieren:
Führungskräfte haben eine hohe Verantwortung dafür, dass sich Mitarbeitende emotional gebunden fühlen. Beschäftigte, die im Arbeitsalltag gute Führung erleben, kündigen laut Gallup Engagement Index 2023 seltener und haben geringere Fehlzeiten. Unter Aspekten guter Führung werden häufig ein wertschätzender Umgang miteinander, eine offene Fehler- und Feedbackkultur sowie die individuelle Förderung von Mitarbeitenden anhand ihrer persönlichen Stärken zusammengefasst. Moderne Führung bedeutet also, Mitarbeitenden als Individuen zu begegnen und nicht als „simple“ Arbeitskräfte.
9. Arbeitsmodelle flexibilisieren:
Der öffentliche Dienst kann mit vielen Benefits auftrumpfen und sollte dies auch entsprechend kommunizieren und ausbauen. Die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort, zum Beispiel durch Homeoffice oder mobiles Arbeiten, Gleitzeit und Teilzeit, ist ein wesentlicher Faktor zur Optimierung der Work-Life- Balance. Viele Verwaltungen sammeln mittlerweile auch gute Erfahrungen mit Top-Sharing-Modellen, also Job Sharing auf Führungsebene.
Weitere Möglichkeiten sind Angebote zur Gesundheitsförderung wie eine gesunde Kantine, Sportkurse und Massagen, oder zur Kinderbetreuung, zum Beispiel eine betriebliche Kita oder Ferienbetreuung sowie Eltern-Kind-Büros. Nicht zuletzt sollten die Möglichkeiten abgewogen werden, die Vergütung wettbewerbsfähiger zu gestalten, etwa durch Zulagen oder Zusatzleistungen wie Job- Tickets beziehungsweise betriebliche Altersvorsorge.
10. Arbeitgebermarke stärken:
Die beschriebenen Ansätze und Stellschrauben leisten alle einen Beitrag zur Arbeitgebermarke. Die Arbeitgebermarke beschreibt laut den Marketing-Experten Dr. Benjamin von Walter und Prof. Dr. Wolfgang Kremmel die Summe aller Vorstellungen von einem Unternehmen oder einer Verwaltung als Arbeitgeber, die durch den Unternehmensnamen, das Unternehmenslogo und andere sichtbare Markenelemente ausgelöst werden, ist also die strategische Positionierung von Unternehmen und Verwaltungen auf dem Arbeitsmarkt.
Laut dem Bleibebarometer Öffentlicher Dienst von Next:Public2022 verfügen die meisten Verwaltungen nach Ansicht ihrer Mitarbeitenden jedoch nicht über eine klare Arbeitgebermarke. Es ist also vielen Mitarbeitenden – und vermutlich auch Bewerbenden –nicht klar, wofür die Verwaltung als Arbeitgeberin steht, welche Ziele sie verfolgt und was sie einzigartig macht.
Um dem auf die Spur zu kommen, bieten sich verschiedene Analysen an: Für welche Werte steht unsere Verwaltung? Was unterscheidet uns von anderen? Was ist der Zielgruppe wichtig? Es geht darum, individuelle Stärken zu identifizieren und nach außen zu kommunizieren.
Prinzipiell verfügt der öffentliche Sektor über zahlreiche Attraktivitätsfaktoren, zum Beispiel sichere Arbeitsplätze und Karriereperspektiven, gesunde Arbeitsbedingungen oder ein wertschätzendes Arbeitsumfeld. Absolutes USP des öffentlichen Dienstes ist die Sinnstiftung: aus der Erfahrung ein Faktor, mit dem noch viel zu wenig geworben wird.
Fazit
Es gibt einige Stellschrauben, um das Recruiting moderner aufzustellen. Die Erfahrung von zfm – Zentrum für Management- und Personalberatung zeigt, dass Verwaltungen, die sich Gedanken zu den genannten Punkten machen, auf dem Arbeitsmarkt erfolgreicher sind.
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