Recruiting Automation, automatisiertes Recruiting oder Digital Hiring – alle diese Begriffe bezeichnen ein und dasselbe, nämlich die teilweise Automatisierung der Arbeit der Personalabteilungen. Viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber schrecken davor in Deutschland noch zurück: Nicht umsonst steht das H und HR für „Human“! Hier erfahren Sie, wie die digitalen Lösungen funktionieren, was ihre Vor- und Nachteile sind und wann sie sich eignen.
Die Güte der Automatisierung hängt von der Güte der Daten ab
Die Recruiting Automation kann nur so gut sein wie die Daten, mit der Sie sie ausstatten. Das bedeutet, dass Sie etwa beim Einstellen der Zu- oder Absagekriterien genau sein müssen. Beispielsweise kann in einer Stellenanzeige der folgende Satz stehen:
„Sie verfügen über ein abgeschlossenes Studium im Bereich Kommunikationswissenschaften, Germanistik, Journalismus, Marketing o. ä.“
Bewerberinnen und Bewerber können sich unter „o. ä.“ etwas vorstellen. Eine Maschine kann das nicht. Würden Sie die Stelle auch mit einer Person besetzen, die Linguistik, Publik Relations oder Werbepsychologie studiert hat, müssen Sie auch diese Begriffe eingeben. Andernfalls sortiert die Software die entsprechenden Bewerbungen aus. Ein gründliches Brainstorming ist also vor Zusammenstellung der Daten, an denen sich das Tool orientieren soll, unerlässlich.
Tipp: Viele Tools arbeiten mit Fragebögen für die Bewerberinnen und Bewerber. Hier können Sie die Ausschlusskriterien als Fragen formulieren, auf die mit Ja oder Nein geantwortet werden kann. So kann ein „Nein“ auf die Frage „Haben Sie mindestens drei Jahre in einer Kommune gearbeitet?“ einen Ausschluss der jeweiligen Person bedeuten.
Drei wichtige Fragen zu automatisiertem Recruiting
Es gibt eine Menge Fragen und Bedenken hinsichtlich Digital Recruiting. Die Antworten auf viele davon sind stets in Veränderung begriffen, weil die Tools laufend weiterentwickelt werden. Drei besonders oft gestellte Fragen möchten wir hier aber beantworten.
Wird Robot Recruiting Jobs für Menschen kosten?
Wahrscheinlich nicht. Bislang zumindest ist das nicht der Fall, da es sich beim Bewerbungsprozess und bei der Personalbetreuung um Arbeitsfelder handelt, in denen viel menschliche Interaktion gefragt ist. Die Zeit, die Sie mit den Tools einsparen, können Sie sinnvoll für Aufgaben aufwenden, bei denen die KI Ihnen nicht helfen kann, etwa:
- die Vorbereitungen zu Bewerbungsgesprächen und die Gespräche selbst
- das Onboarding neuer Mitarbeitender
- die Personalbetreuung
- die Personalentwicklung
Kurz: Die Personalabteilungen haben mehr Muße, sich mit den Mitarbeitenden zu befassen, ihren Sorgen und Anliegen und ihrer Förderung. Das verbessert das Arbeitsklima und bindet die Belegschaft enger an den Arbeitgeber.
Ist automatisierte Personalbeschaffung vorurteilsfrei?
Eine KI lässt sich nicht von Vorurteilen beeinflussen, heißt es von Seiten der Befürworterinnen und Befürworter. Ganz so einfach ist das aber nicht, wie ein Beispiel aus den USA zeigt: Hier hatte ein KI-System bei der Bewertung von Bewerbungen die Angabe des Hobbys Baseball positiver gewertet als die des Hobbys Softball. Da mehr Männer in den Staaten Baseball spielen und mehr Frauen Softball, war diese Wertung diskriminierend. Eine KI ist also nur dann vorurteilsfrei, wenn sie nicht mit vorurteilsbehafteten Wertungen gefüttert wird.
In Deutschland wäre eine derart trainierte KI allerdings illegal. Dafür sorgen die Regelungen der DSGVO und des AI Acts der Europäischen Union: Künstliche Intelligenz muss für den Bewerbungsprozess mit vorurteilsfreien Daten und nach ethischen Überlegungen trainiert werden, sodass ihre Ergebnisse dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz entsprechen.
Wie steht es um den Datenschutz bei der Recruiting Automation?
Bewerbungen stecken voller persönlicher Daten. Arbeitgeber müssen Onlinedaten ebenso gegen Einsicht, Manipulation und Verlust schützen wie Daten aus physischen Bewerbungen. Erheben Sie nur Daten, die Sie für den Bewerbungsprozess benötigen, und löschen Sie sie nach Ende des Prozesses.
Um sicherzustellen, dass die Daten der Bewerberinnen und Bewerber bei Ihnen in sicheren Händen sind, sollten Sie beim Vergleich der Anbieter auf die Angaben zum Datenschutz achten. Zudem ist es wichtig, dass das Tool nahtlos in Ihr bestehendes System implementiert wird: Jede Schnittstelle bietet eine Angriffsmöglichkeit, die es zu sichern gilt.
Vorteile und Nachteile von Robot Recruiting
Die Automatisierung von Teilen des Recruitingprozesses bringt gleich mehrere Vorteile mit sich:
- Sie sparen Zeit, die Sie ansonsten für repetitive und zeitfressende Aufgaben aufwenden würden, und können sich intensiver um Bewerbungsgespräche sowie neue und bestehende Mitarbeitende kümmern.
- Die Zeitspanne, bis die Bewerberinnen und Bewerber eine Rückmeldung erhalten, sinkt, und auch die weitere Kommunikation wird vereinfacht.
- Menschen machen Fehler, wenn sie unachtsam, müde oder abgelenkt sind – das passiert der KI nicht.
Diesen Vorteilen stehen auch einige Nachteile gegenüber:
- Die KI kann nicht nachsichtig mit Fehlern sein: Ist sie darauf ausgelegt, bei bestimmten Begriffen grünes Licht zu geben, kann sie vielversprechende Fachkräfte wegen einer unglücklichen Formulierung oder eines Buchstabendrehers aussortieren.
- Fällt die KI Entscheidungen auf Basis bestehender Teams, kann die Diversität darunter leiden, die grundsätzlich die Vielfalt und den kreativen Prozess bei der Arbeit anregt.
- Bewerberinnen und Bewerber können es als wenig wertschätzend empfinden, wenn sie über den ersten Teil des Recruitingprozesses nur mit einer KI kommunizieren.
Es gilt also, die Technologie überlegt und nur für bestimmte Aufgaben einzusetzen.
Bei diesen Schritten kann die Recruiting Automation hilfreich sein
An einigen Stellen des Recruiting-Prozesses und des Bewerbermanagements kann die KI Ihnen viel Zeit ersparen, etwa:
- beim Active Sourcing: Möchten Sie nicht warten, bis die Talente zu Ihnen kommen, können Sie die KI auf Karriereseiten, in den Sozialen Medien, in Talent Pools oder über Suchmaschinen gezielt nach Personen suchen lassen, die Sie gern beschäftigen würden.
- bei den Stellenanzeigen: Die KI verfasst aus Schlüsselwörtern die Stellenanzeigen und leitet sie direkt zu den verantwortlichen Personalerinnen und Personalern weiter. Diese können sie bei Bedarf anpassen und freigeben. Die KI stellt sie dann in verschiedenen Jobbörsen ein.
- in der Kommunikation: Geht eine Bewerbung ein, sendet die KI automatisch ein Schreiben mit der Eingangsbestätigung und einem Dankeschön an die Absenderin oder den Absender. Sie können oft zudem einstellen, dass nach einem festgelegten Zeitraum ein Update an die Kandidatinnen und Kandidaten geschickt wird, wie es um ihre Bewerbung steht.
- beim ersten Kandidaten-Screening: Die KI untersucht die Bewerbungen auf bestimmte Schlüsselbegriffe und Antworten hin (je nachdem, wie der Bewerbungsprozess abläuft). Sie kann so bereits diejenigen aussortieren, die notwendige Anforderungen nicht erfüllen.
- beim Speichern der Fortschritte: Nach der Sichtung der Bewerbungen, nach einem Telefonat oder einem Vorstellungsgespräch können Sie Ihre Notizen zu der jeweiligen Person im System speichern, sodass sie für Ihre Kolleginnen und Kollegen einsehbar sind. Das erleichtert die Kommunikation.
Das zeitraubende erste Durchgehen der Bewerbungen auf Ausschlusskriterien fällt somit weg. Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Personalabteilung setzen erst mit der Arbeit ein, wenn eine Vorauswahl bereits getroffen ist. Auf diese Weise müssen Sie keine ungeeigneten Bewerbungen lesen und können sich sofort auf qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten konzentrieren.
Ausgewogene Kombination aus KI und HR
Sie können sich mit KI die Mitarbeitersuche und den Bewerbungsprozess deutlich vereinfachen. Dabei ist es wichtig, dass Sie zunächst für das Tool mitdenken und ihm alle Daten zur Verfügung stellen, die es benötigt. Dann sortiert es aus und übernimmt den kurzen Erstkontakt mit den infrage kommenden Bewerberinnen und Bewerbern. Das ist ein Moment, in dem die zügige Interaktion mit einer KI für die meisten Jobsuchenden akzeptabel ist.
Eine persönliche Mail sollten Sie aber spätestens dann schicken, wenn Sie jemanden zum Bewerbungsgespräch einladen. Automatisiertes Recruiting kann günstig von Interessierten aufgenommen werden, wenn sie dadurch eine schnelle Eingangsbestätigung für ihre Bewerbung bekommen. Übernimmt die KI auch danach weiterhin die Kommunikation, wirkt das allerdings unpersönlich und wenig wertschätzend.
Es gilt also, den schmalen Grat zwischen dem Einsatz von KI und der Reaktion echter Menschen zu finden: Erstere zeigt, dass der Arbeitgeber sich neuerer Technologien bedient – das kann positiv betrachtet werden, solange die KI nicht überhandnimmt. Damit das nicht geschieht, müssen Sie den richtigen Zeitpunkt abpassen, um die Kommunikation zu übernehmen.
Zukunft des automatisierten Recruitings
Aktuell setzen vor allem große Unternehmen, die laufend zahlreiche Bewerbungen erhalten, KI im Recruitingprozess ein. Allerdings zeichnet sich ab, dass künftig auch mittelständische Unternehmen und Behörden mehr und mehr von der Zeitersparnis profitieren und sich mit den entsprechenden Tools befassen werden.
Wenn Sie sich ebenfalls für die Nutzung entscheiden, müssen Sie überlegen, ob Sie transparent mit dieser Information umgehen möchten: Aktuell betrachten zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Einsatz von KI im Recruitingprozess noch mit Abneigung, wie eine Studie von 2022 zeigt. Allerdings steht zu erwarten, dass die allgemeine Akzeptanz steigen wird, wenn die Nutzung der Tools verbreiteter ist und den Interessierten der Umfang genau erklärt wird.
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