Autorin: Julia Schwick

Am Begriff der Resilienz kommt im Moment niemand vorbei. Wir hören von Resilienz gegenüber der Pandemie, der Klimakrise und den Auswirkungen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Aber auch in der heutigen Arbeitswelt 4.0 und der VUCA-Welt wird Resilienz immer wichtiger, so heißt es, da Menschen mit einem stetigen Wandel der Arbeitswelt, immer neuen Herausforderungen im Arbeitsalltag, aber auch Konflikten und Stress am Arbeitsplatz konfrontiert sind. 2022 wurde Resilienz (als Ausdruck für die Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen) sogar zum Wirtschaftswort des Jahres gewählt.[1]

Doch was bedeutet Resilienz überhaupt? Wir alle kennen besonders resiliente Menschen, die Krisen mit erhobenem Kopf durchstehen und sich nach Schicksalsschlägen schnell wieder aufrappeln. Stehaufmännchen, die sich weder von Kündigung, Trennung, Krankheit noch von Überlastungen auf der Arbeit unterkriegen lassen. Während die Kündigung für den einen wie eine erdrückende Belastung erscheint, sieht die andere diese als Herausforderung und Chance für einen Neuanfang. In diesem Sinne meint Resilienz die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne körperliche oder psychische Beeinträchtigungen (wie z. B. Burnout) durchzustehen bzw. sich von stressbehafteten Ereignissen schnell zu erholen.

Der Begriff der Resilienz leitet sich aus dem Lateinischen „resilire“, das bedeutet zurückspringen oder abprallen, ab. Der Begriff wird nicht nur in Bezug auf die menschliche Psyche verwendet, sondern in vielen Wissenschaften (z. B. auch in der Physik oder Medizin). In der Materialwissenschaft bezeichnet er die Eigenschaft von Stoffen, auch nach extremer Spannung wieder in ihren Ausgangszustand zurückzukehren. In der Psychologie wird Resilienz häufig mit Widerstandsfähigkeit übersetzt und gilt als Gegenstück zu Vulnerabilität. Während Vulnerabilität die Verwundbarkeit bzw. Anfälligkeit von Menschen für Stress und psychische Erkrankungen meint, bezeichnet Resilienz die Widerstandsfähigkeit gegenüber Stressoren.

Als Stressoren werden Bedingungen oder Ereignisse bezeichnet, die personenunabhängig mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Stressreaktionen auslösen. Im Arbeitskontext können das zum Beispiel Lärm, Zeitdruck, Überstunden, Rollenkonflikte, Mobbing, Umgang mit schwierigen Kund*innen, erlebte organisationale Ungerechtigkeit oder eine problematische Informationspolitik sein. Beim Widerstand gegenüber Stressoren helfen verschiedene Faktoren (man könnte auch von persönlichen Ressourcen sprechen), die die Resilienz von Menschen stärken, zum Beispiel:

Ein stabiles soziales Umfeld, zum Beispiel in Familie und Beruf, ermöglicht soziale Unterstützung in schwierigen Situationen (durch Zuhören, Ermuntern und auch das gemeinsame Angehen von Problemen). Extraversion und Kontaktstärke helfen dabei, auf Menschen zuzugehen und stabile Beziehungen aufzubauen.

Selbstwirksamkeit beschreibt die Überzeugung, durch das eigene Handeln kompetent mit den Herausforderungen des Lebens umgehen zu können. Es existieren zahlreiche Studien dazu, dass eine hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugung eine wirksame Ressource gegen Stress darstellt. Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeitsüberzeugung ist bewusst, dass sie für ihren Erfolg selbst verantwortlich sind und nicht der Zufall. Daher treibt sie die Gewissheit an, dass sie Krisen aus eigener Kraft bewältigen können und sie übernehmen Eigenverantwortung hierfür.

Intelligenz bzw. kognitive Fähigkeiten helfen dabei, verschiedene Lösungsmöglichkeiten und Ansätze für einen Ausweg aus der schwierigen Situation zu entwickeln.

Menschen mit einer hohen Lösungsorientierung suchen nicht nach Schuldigen für ihre Krise, sondern nach Lösungen, um die schwierige Situation zu meistern. Damit einher geht auch eine klare Zielorientierung und Aufgeschlossenheit für kreative Lösungen.

Wenn Emotionen, wie Angst, Unsicherheit und Wut, in einer Krise Überhand nehmen, sind Menschen nicht mehr handlungsfähig. Die so entstehende negative Stimmung kann schlimmstenfalls zu Depressionen führen und die eigenen Handlungen lähmen. Menschen mit einer hohen Emotionskontrolle haben ihre Emotionen „im Griff“ und können sich daher auf die Analyse und Lösung der Situation konzentrieren. Das bedeutet auch, überlegt und nicht impulsiv zu handeln. Seine Handlungen zu kontrollieren, erfordert eine Ausrichtung der Aufmerksamkeit und Motivation auf die gegenwärtigen Absichten (sich nicht „ablenken“ lassen, Aufgaben nicht vor sich herschieben).

In diesem Kontext ist auch das Konzept der Achtsamkeit nicht irrelevant. Achtsamkeit beschreibt die Fähigkeit, die eigene Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Augenblick und die aktuelle Tätigkeit zu lenken. Hierdurch können die eigenen Emotionen und Stressreaktionen besser wahrgenommen und Stress somit besser erkannt und bewältigt werden.

In der Arbeitsrealität gibt es Situationen, die (zum aktuellen Zeitpunkt) nicht zu ändern sind. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn es aktuell keine Möglichkeit gibt, den Arbeitsplatz zu wechseln. Die Akzeptanz dieser Unveränderlichkeit und die Fähigkeit, trotzdem handlungsfähig zu bleiben und nicht in eine Schockstarre zu verfallen, ist ein wichtiger Faktor von Resilienz. Resiliente Menschen können die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit und die zur Verfügung stehenden Ressourcen (z. B. Zeit, Budget) gut einschätzen.

Aus einem gesunden Maß an Optimismus entspringen eine positive Grundhaltung und das Vertrauen darauf, dass sich alles zum Guten wenden wird. Dies hilft insbesondere bei der Bewältigung von Veränderungen.

Im Kontext von Resilienz wird häufig die sogenannte Kauai-Studie der amerikanischen Psychologin Emmy Werner[2] zitiert. Im Rahmen einer Langzeitstudie untersuchte die Forscherin über drei Jahrzehnte den Werdegang von 1955 auf Hawaii geborenen Kindern. Ein Drittel dieser Kinder wuchs unter schwierigen Lebensbedingungen auf (Armut, Vernachlässigung, familiäre Gewalt). Dies prägte das Leben von zwei Dritteln dieser Kinder auch als Erwachsene – sie zeigten Verhaltensauffälligkeiten, psychische Störungen, brachen die Schule ab oder wurden straffällig. Ein knappes Drittel jedoch entwickelte sich allen Widrigkeiten zum Trotz positiv und wurde zu zufriedenen, gesunden und selbstbewussten Erwachsenen. Dieses Drittel hatte einige Gemeinsamkeiten, insbesondere: Eine liebevolle Bezugsperson, die sich um sie kümmerte – ein Elternteil, ein Geschwisterkind, eine*n Lehrer*in. Die Relevanz belastbarer sozialer Beziehungen wurde später durch zahlreiche Studien bestätigt. Neben den oben beschriebenen Resilienzfaktoren ist die Forschung laufend auf der Suche nach weiteren Faktoren, die eine widerstandsfähige Persönlichkeit auszeichnen.

Die Studie von Emmy Werner impliziert, dass Resilienz nicht angeboren ist, sondern sich im Laufe des Lebens entwickelt. Doch ist Resilienz auch lernbar? Viele Psycholog*innen sind dieser Ansicht. In der Praxis wurden in den letzten Jahren zahlreiche Resilienz-Trainings entwickelt und erste Studien belegen die Wirksamkeit solcher Trainings, die beispielsweise auf die Selbstwirksamkeit, Problemlösekompetenz oder Achtsamkeit der Teilnehmenden abzielen. Zur Überprüfung der Wirksamkeit wurden die Teilnehmenden vor und nach einem solchen Training über Resilienz-Fragebögen befragt.

Es gibt jedoch auch Stimmen, die darauf hinweisen, dass „echte“ Resilienz ein komplexes Konstrukt ist und sich erst in realen Krisensituationen zeigt – wenn Menschen mit Schicksalsschlägen konfrontiert sind. Dies kommt naturgemäß nicht so häufig vor. Ein Ansatz zur Stärkung der eigenen Resilienz kann jedoch die Beschäftigung mit dem Thema sein.

Die folgenden Tipps können dabei helfen, die eigene Resilienz im Arbeitsalltag zu stärken:

Die Reflexion der eigenen Resilienz lohnt sich: Studien zeigen, dass resiliente Menschen Stress und Belastungen besser bewältigen können und eine höhere Fähigkeit zur Emotionsregulation aufweisen. Zudem verfügen Menschen mit höherer Resilienz tendenziell über eine bessere psychische Gesundheit und sind weniger anfällig für psychische Erkrankungen wie Angstzustände oder Depressionen. Resiliente Menschen haben oft bessere Beziehungen zu anderen Menschen, da sie in der Lage sind, sich auf andere zu verlassen und Unterstützung zu suchen, wenn sie diese benötigen. Im Berufskontext kann Resilienz dazu beitragen, dass Menschen beruflich erfolgreicher sind, da sie besser in der Lage sind, Herausforderungen anzunehmen, Risiken einzugehen und sich an Veränderungen anzupassen.

Die folgenden Buchempfehlungen können eine Unterstützung dabei sein, zu reflektieren, wie es um die eigene Resilienz bestellt ist:

Asselmann, Eva (2022). Woran wir wachsen – Welche Lebensereignisse unsere Persönlichkeit prägen und was uns wirklich weiterbringt. München: Ariston.

Schuster, N., Haun, S. & Hiller, W. (2011). Psychische Belastungen im Arbeitsalltag – Trainingsmanual zur Stärkung persönlicher Ressourcen. Weinheim, Basel: Beltz.

[2] Werner, E. & Smith, R.S. Journeys from childhood to midlife: risk, resilience, and recovery. Cornell University Press (2001)

Foto (c) david-matos I unsplash


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