Das Internet macht verwöhnt. Es hat eine Mentalität begünstigt, die so beschrieben ist: Ich will alles, und zwar sofort. Warten ist out. Wer warten muss, wendet sich ab. Das hat auch Auswirkungen auf den Rekrutierungsprozess. Arbeitgeber, die sehr schnell sind, Antworten sofort geben und volle Transparenz sichern, haben in Zukunft einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt. Den sollten sich auch die Personalabteilungen der öffentlichen Hand zu Nutze machen.
Geht es Ihnen auch so? Werden Sie auch so schnell ungeduldig, wenn sich eine Webseite langsam aufbaut? Sie sind nicht alleine: Eine Studie der University of Massachusetts hat gezeigt, dass Internetnutzer schon nach zwei Sekunden weiterklicken, wenn sich auf dem Bildschirm nichts tut – und nach zehn Sekunden hat bereits die Hälfte das Warten aufgegeben.
Diese Zahl zeigt: Wir sind so ungeduldig wie nie zuvor – und obendrein verwöhnt. Dafür haben Dienstleister wie Amazon gesorgt. Sie haben uns beigebracht, dass man etwas mit einem Klick bestellen kann, dass die Bestellbestätigung sofort kommt, dass der DHL-Bote avisiert, wann er klingelt. Wir haben keine Lust mehr, auf etwas zu warten oder womöglich selbst nach Informationen zu suchen. Wir wollen alles, und zwar sofort.
Und genau dasselbe erwarten Jobbewerber. Wenn sie sich bei einem Unternehmen bewerben, muss die Sache so glatt und geschmeidig ablaufen wie eine Bestellung bei Amazon. Und wenn das nicht der Fall ist, versuchen sie ihr Glück bei einem anderen Arbeitgeber. Berufsanfänger (und Profis) erwarten:
- dass der potenzielle Arbeitgeber auf allen digitalen Kanälen erreichbar ist. Wer auf seinem Handy in der Straßenbahn die Stellenanzeige entdeckt, will sich sofort bewerben – via Handy. Und das kurz und formlos. Seitenlange Formulare füllt kein Bewerber mehr aus.
- dass der Arbeitgeber sofort auf eine Bewerbung reagiert. Minimum ist eine Eingangsbestätigung. Danach müssen regelmäßige Updates dazukommen, in welchem Stadium sich die Bearbeitung befindet („Wird gerade von unserer Fachabteilung geprüft“).
- dass der Personaler perfekt vorbereitet ins Bewerbungsgespräch kommt und den Lebenslauf des Kandidaten so gut kennt wie er selbst.
Zwischenfazit: Wer heute auf Jobsuche ist, erwartet vor allem Convenience, also Bequemlichkeit. Für Arbeitgeber in Zeiten des Wettlaufs um Talente kann das ein Risiko sein. Denn selbst wenn Sie den passenden Job anbieten, kann es dennoch sein, dass Sie mit Ihrem Angebot nicht zum Zuge kommen, weil der Prozess zu langsam, zu umständlich oder zu schwerfällig war.
Das betrifft auch die Interviewphase. Hier etabliert sich am Markt gerade ein neues, schnelleres Format. Denn viele gerade jüngere Einsteiger fragen sich zum Beispiel: Warum muss ich für ein Bewerbungsgespräch quer durch Deutschland fahren, wenn ich mit meinem Freund in Neuseeland jeden Tag per Skype-Videokonferenz spreche?
Arbeitgeber reagieren auf diesen Bedarf und bieten das Einstellungsgespräch für das Handy-Zeitalter an: Der Bewerber geht auf die Internetseite des Arbeitgebers. Dort wird für 30 Sekunden eine Frage eingeblendet, zum Beispiel: „Berichten Sie bitte davon, wie Sie mit einem Konflikt umgegangen sind.“ Anschließend schaltet sich die Webcam am Laptop des Bewerbers ein und er hat 30 Sekunden bis 5 Minuten Zeit zu antworten. Alle Antworten werden aufgezeichnet und von der Personalabteilung ausgewertet. Aussichtsreiche Kandidaten werden dann zu einem zweiten Interview eingeladen. Auch das läuft immer häufiger online ab. Beide Seiten sitzen vor ihrer Webcam und führen ein Bildtelefonat. IBM etwa wickelt in den USA den gesamten Interview-Prozess online ab, Jobofferten werden als Textnachricht verschickt.
Um überhaupt noch an Bewerberkontakte zu gelangen, muss also auch die Form stimmen. Wenn das nicht der Fall ist, wenden sich Kandidaten ab, oft trotz vorhandenen Interesses – und der betroffene Arbeitgeber hat das Nachsehen.
Deshalb sollten Arbeitgeber, die vorne mitspielen wollen, mutig sein, auch was ungewöhnliche Wege angeht. Beispiel: Unternehmen, die eine begehrte Spezies wie Informatiker suchen, laden Jobinteressierte mittlerweile zu kleinen Bustouren ein. Diese laufen ab wie eine Kaffeefahrt: Treffpunkt morgens an irgendeinem Hauptbahnhof, anschließend steuert der Bus über den Tag verteilt vier Arbeitgeber an, die auf Mitarbeitersuche sind. An jeder Station lernen die Jobinteressierten einen neuen Arbeitgeber kennen – durch informelle Präsentation und anschließendes lockeres Gespräch mit Personalern und Mitarbeitern aus der Linie. Die Berliner Agentur Young Targets hat sich darauf spezialisiert, diese Touren im Arbeitgeber-Auftrag durchzuführen.
Diese Beispiele zeigen, wie wir mit unserem Angebot am Arbeitsmarkt der Zukunft punkten. Wir müssen auf den relevanten Kanälen im Internet sichtbar sein; diese müssen jederzeit einen einfachen und bequemen Einstieg ins Bewerbungsverfahren bieten. In der Praxis des zfm fallen immer häufiger HR-Verantwortliche auf, die sagen: „Die Bewerbung soll so einfach sein, dass ein Stelleninteressent den Erstkontakt auch während einer Fahrt in der S-Bahn auslösen kann.“ Das sollte die Messlatte sein.
Außerdem dürfen wir nicht vergessen: Der Mitarbeiter von morgen ist Kunde, nicht Bittsteller. Er erwartet einen transparenten Prozess, der sympathisch sein sollte.
Aus “13 Impulse für Ihre Personalarbeit” von Edmund Mastiaux, 2018
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