Wie Spitzenpersonal für die öffentliche Verwaltung gezielt gewonnen wird. zfm-Geschäftsführer Edmund Mastiaux im Gespräch mit “der gemeinderat”.

Interview: Beate Semmler

Im öffentlichen Sektor kennt er sich aus wie kaum ein anderer: Personalberater Edmund Mastiaux und sein Team besetzen seit exakt 30 Jahren Fach- und Führungspositionen in Kommunen. Der Experte für Personalmanagement erklärt, was für einen effizienten Recruitingprozess und nachhaltige Personalentwicklung in Städten und Gemeinden wichtig ist.

Sie besetzen pro Jahr rund 100 Führungspositionen in Städten, Gemeinden und kommunalen Unternehmen. Wie stellen Sie sicher, dass jemand perfekt für eine Position ist?

Edmund Mastiaux: Wir prüfen zunächst die fachliche Expertise, dann die Persönlichkeit und schließlich die  Umfeldpassung. Der letzte Punkt ist der entscheidende. Er zeigt, inwieweit sich eine Kandidatin oder ein Kandidat mit der Aufgabe, der Organisation, der Stadt oder Region identifiziert. Ein Beispiel: Jemand wechselt als Bereichsleitung aus einem sehr großen Stadtwerk in ein kleines. Die Aufgabe dürfte also für denjenigen kein Problem darstellen, meint man und vergisst, dass er/sie es gewohnt ist, von einem Stab und spezialisierten Abteilungen unterstützt zu  werden. All das gibt es aber in dem kleinen Unternehmen nicht. So kann es schnell passieren, dass sich die Person unwohl fühlt. Das Gleiche kann passieren, wenn jemand von der Großstadt in ein ländliches Gebiet wechselt. Hinzu kommt: Der Typus muss passen. Der eine Geschäftsführer bzw. Geschäftsführerin muss zum anderen passen, die Führungskraft zum Aufsichtsrat.

Wie können Sie wissen, dass der Typus passt?

Edmund Mastiaux: 30 Jahre Erfahrung und ein Gespür für Menschen helfen. Wir führen nach Auftragserteilung diverse Umfeldgespräche beim Kunden durch, und zwar nicht nur mit dem Auftraggeber, sondern beispielsweise mit dem aktuellen Stelleninhabenden, mit unmittelbaren Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen. So bekommen wir ein besseres Verständnis für die zu besetzende Position und den Typus, den es braucht. Wir haben uns zudem auf die Branche öffentlicher Sektor spezialisiert und wissen, worauf es ankommt − das macht im Recruiting den Unterschied.

„Die Führungspositionen, die wir besetzen, sind oft Wahlpositionen. Da braucht es politisches Fingerspitzengefühl und natürlich auch die  Erfahrung, wie der öffentliche Dienst funktioniert. “
Edmund Mastiaux, zfm-Geschäftsführer

Folgen Sie in Ihren Recruitingprozessen einer Methodik oder bestimmten Strategien?

Edmund Mastiaux: Ausgangspunkt ist das seit vielen Jahren erprobte zfm-System der gezielten Personalsuche und -auswahl. Ein wichtiges Tool im zfm-System ist das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP). Das BIP fasst Anforderungen für Normgruppen zusammen, etwa für Vorstände und Führungskräfte. Dieses Sollprofil gleichen wir mit den Kandidatenprofilen ab. Auf unsere Initiative hin gibt es seit einigen Monaten sogar eine Normgruppe speziell für Führungskräfte im öffentlichen Sektor. Wir haben 1000 Testverfahren aufgearbeitet, die wir bereits durchgeführt haben, und diese Hogrefe vorgelegt. Das ist der Testverlag, der die Normgruppen verwaltet und unsere Ergebnisse aufnimmt. Diese Normgruppe für Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung ist eine echte Innovation, die nützlich für den kompletten öffentlichen Sektor ist.

Geht es denn bei der Besetzung von Führungspositionen vor allem um Diagnostik?

Edmund Mastiaux: Die harten diagnostischen Ergebnisse müssen sein, aber man muss auch dem Bauchgefühl eine Chance geben. Wir schauen sehr genau hin, wenn wir einen Auftrag bekommen. Es geht uns darum, unabhängig von der Fachlichkeit ein Gespür für die Menschen, für die handelnden Personen zu bekommen. Das ist das A und O. Das Bauchgefühl kann also durchaus entscheidend sein, gerade wenn es um die bereits erwähnte Umfeldpassung geht.

Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an Positionen in der öffentlichen Verwaltung? Worauf achten Sie besonders?

Edmund Mastiaux: Die Führungspositionen, die wir besetzen, sind oft Wahlpositionen. Da braucht es politisches Fingerspitzengefühl und natürlich auch die  Erfahrung, wie der öffentliche Dienst funktioniert. Häufig sind Anforderungsprofile als Ideal formuliert, bei gleichzeitig sehr breiten Aufgabenbereichen, wofür die Führungskraft dann mindestens Überblickswissen mitbringen soll, wenn es nach dem Auftraggeber geht. Das halte ich für schwierig. Gelegentlich klaffen Erwartungshaltung und Realität auseinander, auch was das Verhältnis von Verantwortung und Vergütung angeht. Dies führt dazu, dass manche Nachwuchskräfte keine Führungsaufgabe übernehmen möchten. Sie denken, dass sie in leitender Position viel mehr arbeiten müssen für in Relation zu wenig Geld. Hinzu kommt als erschwerender Faktor die Arbeit in Gremien und Ausschüssen. Diese findet − wenig familienfreundlich − vor allem in kleinen und mittleren Städten eher am Abend statt.

Gelten für kleinere Städte andere Regeln bei der Besetzung als für große?

Edmund Mastiaux: Wenn Köln einen Technischen Beigeordneten (w/m/d) sucht oder Künzelsau mit 15.000 Einwohnern, dann ist das ein Unterschied. In Köln managt die Person Großvorhaben. Sie muss mit Komplexitäten umgehen können, große Repräsentationsfähigkeiten besitzen oder viel Change-Management-Erfahrung haben. Dies gilt zwar alles auch für eine vergleichbare Position in einer kleineren Stadt − dann aber in einer anderen Dimension. Aber für beide Größenordnungen braucht es identische Persönlichkeitsprofile: Die Person muss sich mit der Aufgabe, dem Unternehmen, dem Umfeld identifizieren.

Was braucht eine gute Führungskraft noch?

Edmund Mastiaux: Die Fachqualifikation ist nur die Basis, darum geht es bei einer guten Führungskraft zunächst nicht. Es geht darum, offen zu sein, neugierig, lernbereit und führungsstark. Das gilt für große wie kleine Städte oder kommunale Unternehmen. Auch wenn man nur für 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und nicht für 200 verantwortlich ist, muss man Freude am Führen haben.

Das gilt alles auch für Führungskräfte in der freien Wirtschaft. Gibt es denn Unterschiede?

Edmund Mastiaux: Um auf das Beispiel Stadtwerke zurückzukommen:  Als Geschäftsführer bzw. Geschäftsführerin in einem öffentlichen Unternehmen muss man anders agieren als in einem privaten Energieversorgungsunternehmen. In einem nicht-privaten Stadtwerk gibt es einen politisch besetzten Aufsichtsrat, der die Mehrheiten in der Stadt abbildet − in der freien Wirtschaft ist dieser auch frei zusammengesetzt. Ich muss also als Geschäftsführer bzw. Geschäftsführerin eines öffentlichen Unternehmens ganz anders kommunizieren. Denn Politik will mitgenommen werden. Ich muss als Führungskraft bereit sein, mehr Zeit in Kommunikation zu investieren. Diese Aspekte gilt es bereits bei der Besetzung zu berücksichtigen.

Klingt aufwändig. Haben Führungskräfte im öffentlichen Sektor trotzdem einen prima Job?

Edmund Mastiaux: Mir würde der Job Spaß machen. Man kann sehr viel bewegen und viel gestalten. Ein wesentlicher Faktor ist auch, dass man für das Gemeinwohl arbeitet. Ich kenne eine ganze Reihe von Führungskräften, die bewusst der freien Wirtschaft den Rücken gekehrt haben. Sie nehmen teilweise sogar ein niedrigeres Gehalt in Kauf. Ihre Motivation ist, dass sie ihrer Stadt etwas zurückgeben möchten. Sie kümmern sich um die Sanierung der Schule, die sie selbst besucht haben, oder übernehmen das Gebäudemanagement der Kita, die ihre Tochter besucht.

In welchen Bereichen tun sich denn Kommunen besonders schwer beim Recruiting?

In welchen Bereichen tun sich denn Kommunen besonders schwer beim Recruiting?

Edmund Mastiaux: Schon seit einigen Jahren werden verstärkt Chief Digital Officer gesucht, die Digitalisierungsprozesse im öffentlichen Sektor voranbringen. Hier müssen die Entscheidenden Abstand davon nehmen, Lebensläufe ohne Brüche zu erwarten, wie sie in der freien Wirtschaft durchaus üblich sind. Zudem gibt es einen erhöhten Bedarf im technischen Bereich. Überall wird gebaut und saniert. Aktuell sind natürlich auch Führungskräfte in den Gesundheitsämtern gefragt.

Gibt es denn Wege, Recruiting und Bewerbungsprozesse zu beschleunigen? Muss jede Kommune den Komplettservice einer Personalberatung buchen?

Edmund Mastiaux: Natürlich nicht, schon einzelne Maßnahmen können sinnvoll sein. Ein hilfreiches Tool ist zum Beispiel unser zfm-Talentmanager. Diese Software bildet den gesamten Prozess eines Auswahlverfahrens ab, es können aber auch nur Bausteine gebucht werden, etwa in den Bereichen, in denen eine Kommune besondere Unterstützung braucht. Wir haben diese Software in unserer Unit „zfm.digital“ von Grund auf neu entwickelt. Sie ist also „made in Germany“, hält hohe Sicherheitsstandards ein und ist exakt auf die Personalauswahlprozesse im öffentlichen Sektor ausgerichtet.

Einzelne Bausteine buchen − was heißt das konkret?

Edmund Mastiaux: Kommunen können mit unserer Software zum Beispiel ausschließlich Bewerbermanagement betreiben, also Eingangsbestätigungen oder Absagen automatisiert verschicken. Bereits dieser Baustein stellt eine große Erleichterung für viele Personalabteilungen dar, weil Routineaufgaben automatisiert werden können. Zusätzlich können Kommunen schnell und einfach eine Stellenbörse in die eigene Webseite integrieren, Stellenanzeigen unkompliziert veröffentlichen und sie auf Wunsch zum Beispiel in Google Jobs einbinden. Das zentrale und außergewöhnlichste  Leistungsmerkmal ist aber das folgende: Der zfm-Talentmanager kann strukturierte Auswahlverfahren komplett digital abbilden − vom einfachen Interview bis zum Assessment Center. Alle Beteiligten brauchen dafür nichts anderes als ein mobiles Endgerät und einen Browser.

Eine Personalberatung, die ihre eigene Software entwickelt − ist das nicht ungewöhnlich?

Edmund Mastiaux: Vielleicht. Wir haben jedoch auf dem Markt keine Software gefunden, mit der wir unsere über die Jahre ausgearbeiteten Prozesse der Personalsuch- und Auswahlverfahren komplett digital abbilden können. Daher haben wir sie zunächst für uns selbst programmiert. Über die Jahre haben wir mit dieser Komplettlösung so gute Erfahrungen  gemacht, dass wir sie jetzt unseren Kundinnen und Kunden zur Verfügung stellen wollen.

Zum Schluss das Stichwort Corona: Hat sich die Recruiting-Welt in letzter Zeit verändert?

Edmund Mastiaux: Rein organisatorisch führen wir Erstinterviews mit Interessierten öfter online. Online-Interviews bergen aber ein erhebliches Risiko − man bekommt schnell einen falschen Eindruck. Wir bevorzugen daher immer ein persönliches Gespräch, bevor es in einem Auswahlverfahren in die nächste Phase geht.

Suchen coronabedingt vielleicht sogar mehr Leute eine neue Herausforderung?

Edmund Mastiaux: Die Wechselbereitschaft hat sich nicht nachhaltig erhöht, auch nicht von Personen aus der freien Wirtschaft. Im öffentlichen Sektor spüren wir ebenfalls Zurückhaltung. Einigen ist ein Wechsel gerade jetzt zu heikel, andere möchten ihren Arbeitgeber in schwierigen Zeiten nicht im Stich lassen.


1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne

Archiv

0228 265004