Keine Frage: die traditionellen, etablierten Organisationen geraten unter Druck. In Verwaltungen, bei Kirchen, Gewerkschaften, aber auch bei ganz „normalen“ Unternehmen sind die Symptome der Veränderungen sichtbar. Veränderung scheint zur Konstante in einer schnelllebigen Welt zu werden und zwingt auch traditionelle, hierarchische Organisationen, sich ständig anzupassen und neu zu erfinden. Das führt zu Unsicherheit bei allen Beteiligten gerade in Organisationen, die traditionell eher auf Stabilität und Sicherheit setzen und in denen das Beharren auf den Status Quo besser gelernt ist, eben Routine ist, als die dynamische Anpassung an sich dynamisch verändernde Umwelten.

Aber die Zeichen der Zeit sind unübersehbar: die digitale Transformation zwingt alle, die bisherigen Prozesse zu hinterfragen und neu zu erfinden, vom Kunden her zu denken und zu einer Co-Kreation mit allen relevanten Partnern zu kommen. Die Fähigkeit, mit dem Unerwarteten kreativ und schnell umzugehen, wird zu der entscheidenden Zukunftsfähigkeit! Lösungen werden dabei wohl nicht mehr qua Amt oder Position als „Vorgesetzter“ gewusst oder gar per Anordnung herbeigeführt, sondern eher kompetenz- und abteilungsübergreifend in kleinen agilen Teams entstehen, also eher nicht mehr „von oben“ kommen. Ein weiteres Zeichen der Zeit: auch die Menschen verändern sich. Es ist hinlänglich beschrieben, dass die Sinnfrage des eigenen Tätig-seins den Mitarbeitenden zunehmend wesentlich ist. Ein wesentlicher Faktor: viele erleben Arbeit als sinnvoll, wenn sie selbst-bestimmt, selbst-verantwortlich arbeiten können. Das verschärft in vielen Organisationen die Not der Personal-Entwicklung. Neben der Sorge um die richtigen Fachkräfte stellen die Bewerber Ansprüche an die Gestalt ihres Arbeitsplatzes. Die Tätigkeit soll SINN machen und zur eigenen work-life-balance passen.  

Es ist also was im Gange. Wir bei zfm merken das auch. Verwaltungen spüren, „dass es nicht so weitergeht“ und wünschen sich eine Begleitung in diesem Veränderungsprozess zu einer modernen Verwaltung. Ein öffentliches Versicherungsunternehmen, in Vielem immer noch der Prototyp einer traditionell, hieratischen Organisation, organisiert eine „Learning Journey“ und testet agile Prozessgestaltung und Methoden für Ihre Geschäftsmodelle. In der Personalsuche begegnen wir auch dem neuen Mitarbeiter und seine Ansprüche an den eigenen Arbeitsplatz. Ja, es tut sich was!

Hinzu kommt eine gewisse Faszination, die die neuen, agilen, flexiblen Organisationsformen ausüben. Man traut ihnen eher zu, dass diese Formen die notwendigen Anpassungen besser hinbekommen, als die klassischen hierarchischen Organisationen das bisher bewerkstelligen konnten. Viele Verwaltungen, große Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, Start-Ups, viele experimentieren mit diesen Organisationsformen. Auch in der Literatur findet diese Reflexion statt, stellvertretend für vieles sei das beachtliche Werk von F. Laloux über „Reinventing Organizations“ genannt. Viele Praxisbeispiele in diesem Buch und in Fachzeitschriften dokumentieren die tatsächliche und manchmal auch gewünschte Wirksamkeit.  Agil mit „Scrum“, in der „Soziokrarie“ oder „Holokratie“, als „Schwarmorganisation“ oder „evolutionärer Organisation“, in diesen Organisationsformen spielt die Selbstorganisation eine zentrale Rolle und das lässt die Organisation tatsächlich anders agieren und aussehen. Ein wesentliches weiteres Merkmal ist die Reduzierung, ja manchmal Abschaffung der hierarchischen Führungsverhältnisse und die Etablierung neuer, bisherige Abteilungsstrukturen (kommt von ab-teilen) übergreifende Zusammenarbeitsformen, eben „oben ohne“. Und ein weiteres wichtiges Element: der evolutionäre Sinn der Organisation, also die Ausrichtung an einem „Warum“ oder auch „Wofür“, das die Mitarbeitenden antreibt, steht im Mittelpunkt und bestimmt die Organisation.

In dem was da stattfindet wird etwas deutlich, was schon immer ein Wesensmerkmal und eine Daueraufgabe einer jeden Organisation ist und von daher auch nicht wirklich neu ist: die Notwendigkeit sich immer wieder neu an die Realitäten, die Systemtheorie spricht von Umwelten, anzupassen. Wenn wir Organisationen denken, denken wir ja meist zunächst an die Gebäude, „das Rathaus“, die Produktionsmittel, „die Maschinen“, also eher die im-mobilen Erscheinungsformen der Organisation. Dann denken wir aber auch an die Menschen, die Mitarbeiter, „die Belegschaft“, die sich in einer bestimmten Art und Weise verhalten und damit zeigen, dass Sie dazugehören: „wir bei der Stadt sind …“. Weniger denken wir Organisationen als (Kommunikations-) Prozesse, die nur solange bestehen bleiben, wie sich irgend-jemand oder irgend-etwas findet, das sie immer aufs neue realisiert, fortsetzt, ins Leben ruft. Wenn sich in einer Verwaltung keiner findet, der an jenem neuen Tag die üblichen Prozesse neu belebt, hört die Organisation auf zu existieren. Es muss Sinn machen sich alltäglich neu in diese Organisation einzufügen. Von daher hat keine Organisationsform Bestandsschutz, selbst wenn sie im Wortsinne „heilige Herrschaft“ ist. Aber auch das gilt: je besser der Anpassungsprozess gelingt, umso besser geht es dem Unternehmen. Von daher: Veränderung, aber auch die  Nicht-Veränderung sind total normal und alltäglich. Gleichzeitig sind sie – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht selbst-verständlich, sondern immer erklärungs- und begründungsbedürftig! Wer die Best-Practice-Beispiele der anderen jetzt kritiklos auf die eigene Organisation anwenden oder gar kopieren will, wird erleben, dass es einfach nicht passt, weil die Organisationsform ein Ergebnis einer Anpassungsleistung an die relevanten Umwelten ist. Oder anders gesagt: die Feuerwehr wird im Einsatz auch in Zukunft eher nicht wie agiles Start-up agieren, sondern als hierarchisch strukturierte Kameradschaft. Danach und davor vielleicht aber schon.   

Kommen wir zurück zu der Gestalt von Führung in diesen neuen Organisationsformen. Was heißt das nun alles für das „oben“? Führung zeigt sich in jeder Veränderungsdynamik immer auch sehr unterschiedlich. Es wäre falsch zu sagen, dass in den neuen Organisationsformen Führung überflüssig ist. Dazu gibt es auch zu viele Beispiele für erfolgreiche Unternehmen mit traditioneller, hierarchische Führung, aber auch misslingende Unternehmen mit selbstorganisierten Führungskultur. Es gibt nicht den einheitlich besten Weg. Es spricht aber einiges dafür, dass die Anpassung in den Veränderungsdynamiken besser gelingt, wenn Führung als Selbststeuerung der Mitwirkenden in die Teams und Projektgruppen integriert wird. Was nicht heißt, dass es dann „ohne“ Führung gehen würde, aber sie ist als unersetzliche Dienstleistung in und für Organisationen „unten“ verordnet, nah am Menschen, nah an der Aufgabe, nah am Prozess und nah am Kunden.

In selbstorganisierten Organisationen zielt Führung darauf ab, den Mitarbeitern auf der operativen Ebene größtmögliche Freiräume zu geben und sie gleichzeitig für die Systemgestaltung nachhaltig verantwortlich zu machen. Es wird also darauf hinauslaufen, dass die Sorge für bestimmte Organisationsqualitäten auch in der Selbstorganisation Aufgabe von Führung ist, dass diese Sorge, diese unersetzliche Dienstleistung, aber in den Teams, Projektgruppen, Bereichen selbst verortet ist. Wichtige Voraussetzung ist die Fähigkeit von Mitarbeitern zur Selbst-Führung, Selbst-Steuerung und Selbst-Organisation. Dass es da Fähigkeiten gibt, dass die Rahmenbedingungen geklärt sind, dass Entscheidungen fallen, bleibt die vorrangige Sorge der Führung. Sorge heißt sich, ich mache mir Sorgen, sondern ich sorge dafür, dass es Klarheit im „Sinn und Zweck“ gibt, dass es Kompetenzen im erforderlichen Maße gibt, dass Selbstorganisation stattfindet. Führungskräfte machen es also nicht selbst, sondern sorgen für diese Qualitäten. Und dann sollten sie sich raushalten! Es wird also in Zukunft nicht „ohne“ gehen, aber Führung wird nicht mehr hierarchisch „oben“ verordnet sein. Der „Vorgesetzte“ als ein Bild hierarchischer Führungserwartungen hat wahrscheinlich ausgedient! Die Organisationen werden anders aussehen und irgendwie mittendrin Führungskräfte, egal wie sie aussehen!  Am Ende wird sich zeigen, was sich bewährt.

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